07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

das Vermächtnis wahren". Um sein ehrgeiziges Ziel zu erreichen, ist der 68jährige Advokat bereit,<br />

bis zum Bundesgerichtshof zu gehen. Denn Joachim Rieke befürchtet, dass die Gesellschafterin<br />

Friedel Rudert ihre Anteile verscherbeln könnte. Rieke: "Am Ende haben wir noch<br />

Geschäftsführer von Springer hier sitzen." Die Gegenseite weist diesen Vorwurf empört zurück.<br />

Rechtsanwalt Carl Hans Barz: "Das ist Brunnenvergiftung." Friedel Rudert aufgebracht: "Der Rieke<br />

sieht nur seine Pfründe gefährdet."<br />

Wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der FR möchte Friedel Rudert allerdings einen<br />

Zivilprozess vermeiden: "Anstatt vor Gericht zu gehen, sollten wir lieber einen Kompromiss<br />

schliessen und uns auf die Erhaltung der 'Frankfurter Rundschau' konzentrieren." Tatsächlich<br />

nimmt das Hickhack der Witwe der Redaktion ihren Atem. Existenzgefährdend knabberte der<br />

fortwährende Aderlass oder frühe Tod brillanter, markanter Federn am einst couragierten, mitunter<br />

frechen FR-Gemüt. Hießen sie nun Conrad Ahlers, Karl Hermann Flach, Karl-Heinz Krumm,<br />

Gerhard Ziegler, Horst Köpke, Michael Rathert, Ulrich Mackensen, Volkmar Hoffmann, Anton<br />

Andreas Guha, Martina I. Kischke, Eckart Spoo, Rolf-Dietrich Schwartz oder auch Horst Wolf .<br />

Zwangsläufig wollte es wie ein Naturgesetz scheinen, drückte die überaus harte FAZ-Bild-<br />

Zeitungs-Konkurrenz auf dem Frankfurter Rhein-Main-Markt die Zuversicht des Blattes ausweglos<br />

in den Keller ; rote Zahlen, immer wieder Kleinmut <strong>als</strong> nagender Wegbegleiter. Gruppentherapien.<br />

Gestaltungstherapien.<br />

An der Spitze zeigte sich ein weitgereister Chefredakteur Werner Holzer, der sich<br />

intensivst um den Aufbau des örtlichen Frankfurter Presseclubs verausgabte. Ein weltgewandter<br />

Werner Holzer, der Stund' um Stund' bei Arbeitgeberverbänden samt seinen Rotarier-Clubs<br />

zubrachte - um bürgerlicher Anerkennung heimsuchte. Streicheleinheiten. Im Hessischen<br />

Fernsehen auf HR3 parlierte er <strong>als</strong> gern gesehener Gast mit braungebranntem Teint über Unrecht,<br />

Verzweiflung, Hunger auf dieser Erde - Woche für Woche. Nur vor kritischer Berichterstattung<br />

seiner Zeitung, vor den eigentlichen deutschen Zustandsbeschreibungen (Ihr da oben, wir da<br />

unten) flüchtete er vorsorglich. Wendezeiten. Berührungsängste. Kleider machen eben Leute . Da<br />

gab es keinen "Schreib mal auf Kisch", sondern "guck mal weg, Holzer". (Egon Erwin Kisch,<br />

genannt der "rasende Reporter" *1885+1948). - Sehnsucht nach dem widerspenstigen,<br />

widerborstigen Karl Gerold.<br />

Aber auch keine Zeit für Werner Holzer. Witwen-Zeit. Schon der Krieg der Witwen hätte<br />

dem FR-Verlag eine Erbschaftssteuer in Höhe von 12 bis 15 Millionen Mark abverlangt. Nur durch<br />

die Gründung einer Stiftung, die ihre Gewinne an gemeinnützige Verbände abgeführt, kann das<br />

allmähliche finanzielle Ausbluten verhindert werden. Dabei hat die FR ganz andere Sorgen. In<br />

Neu-Isenburg bei Frankfurt investierte die Zeitungsgesellschaft 20 Millionen Mark in einen<br />

Druckereineubau, in dem auch die BILD-Zeitung von der Rotation lief. Die Lohnerhöhungen und<br />

Papierpreissteigerungen veranschlagt das Management mit sieben Millionen Mark. Schließlich<br />

macht die überegionale Auflage von knapp 50.000 (Gesamtauflage 185.000) Exemplaren monatlich<br />

700.000 Mark minus, weil die Zeitung kein lukratives bundesweites Anzeigenaufkommen hat.<br />

Verleger Karl Gerold scheint das alles vorausgeahnt zu haben. Titel der letzten Verse des Freizeit-<br />

Poeten Gerold: "Obskur. Obskur."<br />

Postscriptum. -Elsy Gerold-Lang starb im Jahre 1988. Sie vermachte der "Karl-Gerold-<br />

Stiftung" ihr gesamtes Vermögen. In der Präambel Stiftungssatzung hatte Karl Gerold verfügt, dass<br />

die "Frankfurter Rundschau" eine unabhängige, links-liberale Tageszeitung ist, Menschenrechten<br />

und der sozialen Gerechtigkeit verpflichtend. Die eigentliche Bewährungsprobe des<br />

wirtschaftlichen Überlebens (Zeitungssterben und -aufkäufe, Medienkrise, Anzeigenverluste,<br />

69

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!