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ist aber, wie sich in einem reichen Land wie Deutschland die Armut von Kindern 'eklatant' auf ihre<br />

Biografien auswirkt. Das bedeute: geistige und kulturelle Armut, soziale Armut, materielle Armut,<br />

seelische, emotionale und psychische Armut, schulisches Versagen - und immer wieder Gewalt<br />

gegen Kinder; durchgängig Gewalt.<br />

Der Deutsche Kinderschutzbund unterscheidet in seiner Eingruppierung von<br />

Gewalttätern drei Kategorien. Eine einheitliche, zweifelsfreie wissenschaftliche Aussage gibt es<br />

nicht. Danach sind in der<br />

� ersten Gruppe arbeitsunwillige, haltlose Akteure, die durch eigene Phlegma in<br />

materielle Not geraten. Sie machen in ihren Kindern die Hauptschuldigen ihrer<br />

Familien-Misere aus, vergreifen sich an ihnen;<br />

� zweite Gruppe dominiert der Tyrann. Ein Typus Mann, der herrschsüchtig wie<br />

rücksichtslos seine Familie schikaniert, keinen Widerstand duldet, sondern bricht;<br />

� dritten Gruppe sind sie so genannten Triebtätern zuzuordnen. Männer, die sich mit<br />

ihren Gewaltfantasien, Rauschmitteln hemmungslos ausleben; folglich auch für die<br />

eigene Frau oder Kinder kein Schamempfinden, keine Schmerzgrenze kennen.<br />

Als Strafmaßnahmen gegenüber den Nachkömmlingen galten bis Ende der siebziger Jahre<br />

körperliche Züchtigungen <strong>als</strong> das gängigste Mittel. Bemerkenswert ist, dass die meisten Eltern in<br />

der alten Bundesrepublik - im Gegensatz zu ihren europäischen Nachbarn - in erheblicher<br />

Intensität mit Schlägen zur Sache gingen. Nach Schätzungen des Kinderbundes sollten ungefähr 85<br />

Prozent der Eltern ihre Kinder verprügeln. Davon erhielten im Elternhaus 55 Prozent der Jungen<br />

Stockschläge, 37 Prozent der Mädchen. Im Prinzip wurden Körperstrafen mit der flachen Hand,<br />

einem Lederriemen, Teppichklopfer oder dünnen Rohrstöcken verabreicht. Im Schulmilieu kamen<br />

zudem noch Lineale oder Stöcke zum Einsatz, wurden vorwiegend "Kopfnüsse" ausgeteilt.<br />

Spätestens seit Ende der siebziger Jahre gelten körperliche Züchtigungen <strong>als</strong> nicht mehr<br />

"gesellschaftsfähig" - werden <strong>als</strong> ein "typisches verwahrlostes Unterschichts-Verhalten"<br />

eingeordnet. Seither sind Körperstrafen vom Gesetzgeber verboten. Auch das sogenannte<br />

"Backpfeifen"-Recht der Eltern gegenüber ihren Kindern wurde im Jahre 2000 durch eine<br />

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausdrücklich abgeschafft. Nach Neufassung des<br />

Paragrafen 1631 BGB ist es das Kinderrecht, gewaltfrei aufzuwachsen, erzogen zu werden, auch<br />

ohne Demütigungen dem Leben zu begegnen. Im Gesetz heißt es: "Körperliche Bestrafungen,<br />

seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig." Ein<br />

Rechtfertigungsgrund für Prügel gibt es nicht mehr.- Fortschritte in Deutschland.<br />

In zahlreichen Staaten Europas gewann nach Ende des Zweiten Weltkriegs sukzessive die<br />

Auffassung Oberhand, dass körperliche Nötigungen schädlich für die Entwicklung der Kinder<br />

sind. Nicht zuletzt wissenschaftliche psychologische Erkenntnisse rieten dringend davon ab,<br />

weiterhin junge Menschen mit Körperstrafen zu sozialisieren, abzurichten. Danach ist gleichfalls<br />

körperliche Gewalt in Ländern wie Schweden, Island, Finnland, Dänemark, Norwegen, Österreich,<br />

Italien, Zypern, Kroatien, Israel untersagt. Lediglich in den Vereinigten Staaten von Amerika<br />

scheiterten Initiativen auf einen "gewaltfreie Kindererziehung" im Laufe der Jahrzehnte - nicht<br />

einmal, sondern immer wieder.<br />

Auch wenn die Diskrepanz zwischen Gesetzestext und seiner gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit nichts an Schärfe, Dramatik, gar Endzeitstimmungen eingebüßt hat, verfügen<br />

mittlerweile deutsche Polizeidienststellen über speziell geschulte Einsatzkräfte. Sie können direkt<br />

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