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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Selbst Staatschef Fidel Castro gratulierte seinerzeit Imilla zu ihrer Präzision. Sie errötete<br />

vor Stolz. Anschließend wurde Dosenbier auf der Terrasse getrunken. Und Boris erlebte ein<br />

Hochgefühl, das er nur <strong>als</strong> Pennäler zum Beginn der großen Ferien empfunden hatte.<br />

Doch trotz aller Geschäftigkeit, mit der sich Boris und Imilla auf den neuen Guerillakrieg<br />

vorbereiteten, trotz nächtelanger Diskussionen über ihre Vergangenheit, Che-Philosophie und<br />

Guerilla-Fakten - von Boris' untertäniger Liebe wollte Imilla nichts wissen. Denn: "Sie mochte<br />

keine unentschlossenen Leute, keine Lichter im Nebel, keine undurchschaubare Situation ..." -<br />

kurzum keinen Mann mit Minderwertigkeitskomplexen.<br />

Statt dessen vergnügte sie sich in Kubas Nächten mit "der Macht der Männlichkeit". Je<br />

mehr Boris sich ihre flüchtigen Amouren bewusst machte, desto geringer wurde seine<br />

Selbstachtung. Sie war "die Hure", die er hasste; er fühlte sich <strong>als</strong> sexueller Versager, <strong>als</strong> "zweite<br />

Garnitur", ein Mann von "geringer Brauchbarkeit" und "strohdumm".<br />

Als auch noch der Chef eines Kommandos, Carlos der Schakal, wieder auf Kuba<br />

auftauchte - er war einige Monate in Europa konspirativ unterwegs gewesen - und Imilla sogleich<br />

ein Kind machte, konnte Boris kein Spanisch mehr hören.<br />

Nur einmal raffte er sich auf, spanisch zu sprechen - im Arbeitszimmer des damaligen<br />

Staatspräsidenten Salvador Allende (*1908+1973). Der Doktor, wie Allende immer respektvoll<br />

genannt wurde, saß leger in seiner grünen Joppe an einem rustikalen Schreibtisch. Gemeinsam mit<br />

Boris/Régis versuchte Allende , Imilla und Carlos davon zu überzeugen, dass es zweck-und sinnlos<br />

war, von Chile aus neuen Guerillakampf nach Bolivien zu tragen. "Sie verstehen uns nicht,<br />

Präsident", sagte Imilla zu Allende, "in den Kampf zu ziehen ist ein Eid, den wir halten müssen.<br />

Che hätte uns verstanden."<br />

Allende antwortete: "Das sind Kinder. Sie spielen Husar, aber sie haben keine Rüstung."<br />

Der Bruch zwischen Imilla und Boris war perfekt. Boris bekam Heimweh nach seiner<br />

alten Bude, seinem "verzauberten Schloss" in Paris. Die Seine-Metropole hatte ihn dann auch bald<br />

wieder.<br />

Aber nur für kurze Zeit. Denn es meldete sich Imilla aus London. In einer kleinen<br />

Pension an der Tynemouth Road in London N 15 fand er sein "unwiderstehliches Ungeheuer" . Ihr<br />

linker Arm war - nach einem Guerilla-Kommando in Bolivien - zusammengeflickt worden, die<br />

linke Hand steif, Brandflecken übersäten den ganzen Körper, ihr Kind musste per Kaiserschnitt tot<br />

aus dem Unterleib geboren werden.<br />

Systematisch hatten Geheimpolizei und Militärs in La Paz Block für Block durchkämmt,<br />

Waffenlager für Waffenlager ausgehoben, Frauen vergewaltigt, gefoltert, ihre Männer mit MP-<br />

Salven niedergestreckt. Alle waren tot - auch der allgegenwärtige Commandante Carlos, der Imilla<br />

ständig versichert hatte, dass seine Heimat dort sei, wo es Waffen gibt.<br />

Nur durch Zufall und Geistesgegenwart hatte Imilla sich in eine katholische Kirche retten<br />

können. Nachts war sie dann heimlich in die italienische Botschaft gebracht und operiert worden.<br />

Kaum auf den Beinen, hatten Helfer sie außer Landes geschleust - mit f<strong>als</strong>chen Papieren natürlich.<br />

Zunächst blieben Imilla und Boris in London, gingen dann aber nach Paris. Für<br />

Schwärmer Boris, so schien es, sollte die gescheiterte Liebe aus dem lateinamerikanischen<br />

Untergrund doch noch Wirklichkeit werden. Imilla gestand ihm: "Ich habe nur noch dich, Boris."<br />

Und ein Kind wollte sie auch von ihm haben.<br />

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