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Volksdeutsche und DDR-Flüchtlinge in dieser Statistik gar nicht auf. Und neuerdings, von der<br />

Öffentlichkeit kaum registriert, strebt ein Heer von Gastarbeitern und politisch Verfolgten die<br />

Einbürgerung an. Anfang der achtziger Jahre, so vermuten Experten in den Ausländerbehörden,<br />

werde auf die Bundesrepublik eine neue Antragsflut zu schwappen.<br />

Allein von den 4,6 Millionen Gastarbeitern wollen nach Schätzungen von Heinz Kühn<br />

(*1912+1992), ehemaligem Bundesbeauftragter für Ausländerfragen und früherem nordrheinwestfälischer<br />

Ministerpräsidenten, etwa drei Millionen in der Bundesrepublik bleiben.<br />

Bereits heute leben mehr <strong>als</strong> sechzig Prozent der Ausländer länger <strong>als</strong> fünf Jahre in diesem<br />

Land; damit haben sie nach dem noch geltenden Recht einen Anspruch auf eine unbefristete<br />

Aufenthaltserlaubnis. Heinz Kühn: "Sicherlich sind wir kein Einwanderungsland im Sinne von<br />

Kanada, Australien oder Brasilien. Aber für die aus den Anwerbeländer sind wir ein<br />

Einwanderungsland, auf jeden Fall für die junge Generation."<br />

So sieht es auch die FDP-Politikerin Liselotte Funke (Ausländer-Beauftragte 1981-1991),<br />

die nunmehr <strong>als</strong> Kühn-Nachfolgerin die Bundesregierung in Sachen Ausländer berät. Sie will<br />

entgegen den Vorstellungen der CDU/CSU und ebenfalls der Bundesregierung das<br />

Aufenthaltsrecht für Ausländer, damit den Betroffenen endlich eine Lebensplanung ermöglicht<br />

wird. Denn die allermeisten könnten nicht mehr in ihre Heimat zurück - sei es aus politischen<br />

Gründen oder einfach deshalb, weil es in ihren Ursprungsländern auch in Zukunft nicht genügend<br />

Arbeit gibt.<br />

Auch die Anzahl der Asylanträge ist innerhalb von zwölf Monaten sprunghaft gestiegen.<br />

Im Jahre 1978 wurden 33.136 Asylbewerber notiert, 1977 waren es lediglich 16.419. Den einsamen<br />

Rekord hält bislang das Jahr 1980 - über 108.000 Ausländer suchten in der Bundesrepublik eine<br />

neue Bleibe. Kommen sie nun aus Pakistan, Chile, Argentinien oder Vietnam -heimatlos sind sie<br />

allemal, und für die meisten dürfte es nur eine Frage des Wartens sein, bis ihr<br />

Einbürgerungsbegehren erfüllt wird.<br />

Für Manfred Sog, Regierungsdirektor im Hamburger Ausländeramt, geht es bei den<br />

Bewerbern "oft um eine endgültige Absicherung dessen, was sie hier schon erreicht haben". Viele<br />

seien mit deutschen Frauen verheiratet und hätten es beruflich zu etwas gebracht. Da reiche ihnen<br />

eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr, die von der Behörde jederzeit widerrufen<br />

werden könnte.<br />

So wollten 1978 nach Schätzungen der Ämter über 100.000 Ausländer Bundesbürger<br />

werden. Zwei Jahre später waren es bereits 150.000. Zwei Drittel fielen wegen der restriktiven<br />

Einwanderungspolitik durch. Aber die Bevölkerung wuchs 1978 wieder um die Einwohnerzahl<br />

einer Kleinstadt -nämlich um 31.500 Neu-Deutsche. Die Wege zu der erwünschten Einbürgerung<br />

sind freilich lang, beschwerlich - allzu oft auch demütigend.<br />

Der 47jährige Apotheker Chahedi zeigt nicht ohne Stolz die erst kürzlich ausgestellte<br />

Einbürgerungszusicherung der Behörde. Überhaupt ist er stolz darauf, was er in der<br />

Bundesrepublik bisher geleistet hat. Der Ausblick von seiner großräumigen Terrasse im vierten<br />

Stock eines Penthouse an der Ostseeküste von Scharbeutz hat die Qualität einer Ansichtskarte.<br />

Abends schauen der melancholische Chahedi und seine blonde Frau Eva oft aufs Meer, wo<br />

Motorjachten ankern. "Für mich", sagt Chahedi auf der Terrasse, "ist Deutschland mein<br />

Heimatland. Ich bin deutscher <strong>als</strong> es manche Deutsche je sein können“. Unaufgefordert, <strong>als</strong> wolle<br />

er einen Ulk machen, zitiert er aus Goethes Osterspaziergang: "Zufrieden jauchzet groß und klein,<br />

hier bin ich Mensch, hier darf ich sein."<br />

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