07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

In Distanz zu den tagespolitischen Themen stellte sie die Frage nach den grundlegenden<br />

Vorstellungen der Grünen, der Linken und Alternativen. Es war ein Appell an alle, jene produktive<br />

Unruhe wiederzufinden, ohne die eine Bewegung im parlamentarischen Trott erstarrt. Bekanntlich<br />

war Antje Vollmer, die frisch vom Land kam, von den in Beton gegossenen Parteizentralen wenig<br />

angetan. Mit zunehmender Verblüffung musste sie feststellen, wie sehr sich manche<br />

Gleichgesinnten der neuen Umgebung anglichen, der Beton der Macht an ihnen fraß, bis hin zur<br />

"Betonisierung des Kopfes der Parteispitze". - Politische Werdegänge. Aber etwas zu erkennen und<br />

zu wissen, damit gibt sie sich nicht zufrieden. Mit Hartnäckigkeit und treffsichereren Stichworten<br />

rückt sie an gegen zementierte Verhältnisse, gegen die Elitebildung innerhalb der Partei. Typisch:<br />

Wer Antje Vollmer über Jahre ihres politischen Wirkens beobachten konnte, lernt sie schätzen:<br />

ihren klärenden Rigorismus und ihre hoffnungsgetragene Kampfbereitschaft, die direkt zur Sache<br />

geht, wenn es um die Sache geht.<br />

Im schrillen Polit-Geschäft dieses Jahrzehnts ist Antje Vollmer eine<br />

Ausnahmeerscheinung, Ihr Engagement in ihrer Arbeit zeigt, wie eine Frau, die ihre<br />

Kampfbereitschaft nicht wie ein Markenzeichen vor sich herträgt, mit analytischem Blick und<br />

Sensibilität eine beachtliche Resonanz erzielt. Für sie ist Parlamentarismus nicht nur konformes<br />

Abstimmungsverhalten, sondern der Versuch, Meinungs- und Denkprozesse der Menschen<br />

aufzunehmen. Dafür steht sie ein, eine Eigenbrötlerin, die Spuren hinterlässt. Zeiten der<br />

Selbstfindung der Grünen-Frauen: Wechselbäder zwischen Resignation, Ohnmacht und Aufbruch.<br />

Auf ihrem "feministischen Ratschlag" im November 1989 in Bonn setzte sich die Erkenntnis<br />

durch, dass auch die Grünen eine "stinknormale chauvinistische Partei" sei, ohne ernsthafte<br />

frauenbewusste Politik. Eine Partei , in der die Macher vor den Trümmern das Sagen hatten.<br />

Folgerichtig kehrten die engagierten Frauen um Regina Michalik der Partei den Rücken, gingen<br />

dorthin zurück, woher sie gekommen waren: in die autonome Frauenarbeit. Auf dem<br />

"feministischen Ratschlag" in Bonn gewann auch die Erkenntnis an Boden, dass die neuen Frauen<br />

an der Macht von den herrschenden Spielregeln vereinnahmt würden.<br />

Das Grüne Haus begann zu bröckeln. Der Erosionsprozess der ökologischen Bewegung<br />

entzündete sich an den Frauen. Es waren aber grüne Mandatsträgerinnen, die nach der Einführung<br />

der Frauenquote von einem "Rollback der Männer" sprachen, davon, dass die Frauenquote die<br />

Qualität der Politik kaum verändert habe. Über dieses Klima zwischen Protest und Karriere,<br />

Unbeugsamkeit und Anpassung schrieb Jutta Ditfurth (Bundesvorsitzende der Grünen 1984-1988)<br />

später, im Jahre 1989, unter der Überschrift "Profiteure in der Flaute" in der Hamburger<br />

Wochenzeitung Die Zeit: "In unserem alltäglichen politischen Alltag knallten Ansprüche auf die<br />

Praxis, Den Kopf voll mit Simone de Beauvoirs (*1908+1986) 'Das andere Geschlecht'<br />

beobachtete ich irritiert, wie Männer in studentischen Teach-ins Reden schwangen und sich, zurück<br />

in den Bänken, von Freundinnen den Nacken kraulen ließen. Bei den seltenen Reden der Frauen<br />

stieg der Geräuschpegel demonstrativ. Aus vielen offensichtlichen Widersprüchen dieser<br />

Kulturrevolte wuchsen die Wurzeln für die erfolgreichen Bewegungen der siebziger Jahre. Wir<br />

lernten ... Mir wird schwindelig von der Geschwindigkeit, mit der Leute, ihre eigene Geschichte<br />

fanatisch leugnend, in all den Jahren von links nach rechts an mir vorbeirasen.<br />

Da kungeln sie nun rosa-grün, müde, zynische Männer zwischen vierzig und fünfzig, im<br />

Bierkeller oder im Schloss. Ihnen gegenüber SPD-Apparatschiks wie Karsten Voigt (seit 1999<br />

Koordinator der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit), Wolfgang Roth (Vizepräsident der<br />

Europäischen Investitionsbank 1993-2006) oder Gerhard Schröder (Bundeskanzler 1998-2005) aus<br />

der ersten Anpassungsgeneration der APO . . . Seit die Grünen am Tropf der Harmoniesucht<br />

526

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!