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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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(1974-1978) will sich nicht bei der Ausbildung der Beamten und Angestellten des öffentlichen<br />

Dienstes reinreden lassen. Landwirtschaftsminister Josef Ertl (1969-1983; *1925+2000) möchte<br />

allein für seine Bauern zuständig sein. Und Wirtschaftsminister Hans Friedrichs (1972-1977) will<br />

bei den Handwerksstiften und Industriekaufleuten die Oberhand behalten. Insbesondere im<br />

Bereich beruflicher Bildung zeigt sich überdeutlich, wie sich der westdeutsche Föderalismus ad<br />

absurdum führt - und zudem Millionen sinnlos verschlingt. Modell Deutschland.<br />

Die Kultusminister der Länder dagegen bestimmen die Rahmenrichtlinien für die<br />

Berufsschullehrer. Die Gemeinden sollen mit Finanzspritzen der Länder die Schulen bauen. Die<br />

Oberaufsicht führt die Wirtschaft. Ihre 73 Industrie- und Handelskammern sowie die 45<br />

Handwerkskammern kontrollieren nicht nur die Ausbildung in den Betrieben, sie zensieren auch<br />

die Gesellenprüfungen. Die Folge des Bildungs-Chaos: In keinem Bundesland sind die<br />

Ausbildungspläne im Betrieb mit denen der Schule abgestimmt. Wer etwa in Frankfurt<br />

Industriekaufmann lernt, muss sich nach den Bestimmungen des Bonner Wirtschaftsministeriums<br />

nacheinander in verschiedene Betriebsbereiche einarbeiten: in die Material-, Produktions- und<br />

Absatzwirtschaft sowie in das Personalwesen. Der Rahmenplan des hessischen Kultusministers für<br />

den Berufsschulunterricht ist ganz anders aufgebaut. Er gliedert sich in eine Grund- und eine<br />

Fachstufe, die aber zu wenig auf die spezifischen Kenntnisse eines Industriekaufmanns eingeht.<br />

Nach der "Hamburger Lehrlingsstudie" sind 60 Prozent der Schüler der Meinung, dass sie<br />

eine "berufliche Bildungslücke" haben und ihr Fachwissen für die Praxis nicht ausreicht. Und 40<br />

Prozent von ihnen halten Lehr- und Ausstattungsmaterial ihrer Schulen für unzureichend. Mit<br />

ähnlicher Berufschulkritik wollen sich auch Wirtschaft und Handwerk profilieren, vor allem, um<br />

von ihren eigenen Ausbildungsmängeln abzulenken. In der jüngsten Untersuchung des Deutschen<br />

Industrie- und Handelstages (DIHT) "Zur Situation der Berufsschulen" beklagen sich die<br />

Unternehmerfunktionäre über ein "schwaches Berufsethos" und mehr "Interesse an ideologischer<br />

<strong>als</strong> an sachbezogener Arbeit" bei der jüngeren Lehrergeneration. Doch gerade das Fach Politik liegt<br />

an der Spitze der ausgefallenen Stunden. Und die jüngeren Lehrer bemühen sich, mit Hilfe von<br />

Fernsehkameras und Tageslichtprojektoren den Schülern ein wirklichkeitsnahes Berufsbild zu<br />

vermitteln. Wie zum Beispiel Jörg Haas und Manfred Heinisch an der Hamburger Berufsschule für<br />

Stahl und Metallbau. Eine andere, antiquierte Lehrmethode pflegt dagegen Vize-Direktor Meyer<br />

von derselben Schule. Er lehrt immer noch das klassische Einmaleins, wenn er morgens in die<br />

Klasse kommt. Meyers Stil macht die Schüler sauer. Sie lesen dann lieber ihre Morgenzeitung.<br />

Bei Willi Skibba, 53, Berufsschuldirektor im schleswigholsteinischen Meldorf, saufen die<br />

Pennäler schon in der Frühpause ihren in kleinen Doornkaat-Flaschen abgefüllten Bourbon-<br />

Whisky und lassen bisweilen Stinkbomben hochgehen. Die einzige Rettung sieht der geplagte<br />

Pädagoge ("Ich kann zehn Aschenbecher hinstellen und trotzdem liegen die Kippen auf dem<br />

Boden") im Blockunterricht. In Städten wie Hamburg, Bremen, Dortmund, Hannover wird bereits<br />

im Block unterrichtet. Statt an einem Tag in der Woche, werden die Schüler sechs oder gar<br />

dreizehn Wochen hintereinander weg unterrichtet. Der Vorteil: für Schüler und Lehrer: Der<br />

Lehrstoff kann in abgeschlossenen Abschnitten vermittelt werden. Der Vorteil für den Betrieb: Der<br />

Jugendliche wird nicht jede Woche aus dem Job gerissen. Als Willy Skibba das Modell in Meldorf<br />

einführen wollte, gingen die Kleinbetriebe auf die Barrikaden: "Wir können es uns nicht erlauben . .<br />

. die Lehrlinge sechs Wochen lang zu entbehren."<br />

Und <strong>als</strong> der konservative Pauker mit dem CDU-Kultusministerium in Kiel verhandelte<br />

("Ein muss doch auch in Schleswig-Holstein den Anfang machen"), stürmten ihm<br />

Handwerksmeister und Kleinunternehmer die Bude: "Mein lieber Skibba, wenn Sie hier etwas<br />

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