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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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• Der Begriff "Landfriedensbruch", vor sechs Jahren im Zuge der Rechtsliberalisierung<br />

entschärft, soll wieder die alte, dem Obrigkeitsstaat entstammende Formulierung<br />

erhalten. Dann könnten auch neugierige Mitläufer einer Demonstration, bei der es<br />

plötzlich zu Ausschreitungen kommt, strafrechtlich belangt werden.<br />

• "Zur Beschleunigung strafrechtlicher Verfahren" wollen die CDU/CSU-Länder<br />

Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz die Möglichkeit des Angeklagten<br />

beschneiden, sich etwa durch das Verlesen von Dokumenten und Urkunden zu<br />

entlasten.<br />

• Ihre Begründung: Der Vortrag könne das Verfahren missbräuchlich verzögern.<br />

• Die Polizei soll ermächtigt werden, bei einer Geiselnahme ganze Wohnblocks ohne<br />

Hausdurch-suchungsbefehl zu durchkämmen.<br />

Solche Pläne, die an die Praktiken der Gestapo oder kommunistischer Diktaturen<br />

erinnern, haben jetzt erstm<strong>als</strong> einflussreiche Sozialdemokaten aufgeschreckt. Der badenwürttembergische<br />

SPD-Chef Erhard Eppler will vors Bundesverfassungs-gericht ziehen, falls die<br />

Regierung Filbinger im Musterländle die Razzia-Vollmacht verwirklicht. Die niedersächsische SPD<br />

macht neuerdings Front gegen das Verfassungsschutz-Gesetz (das sie allerdings selbst ins<br />

Parlament eingebracht hatte, <strong>als</strong> sie in Hannover regierte). In Hamburg verkündete Bürgermeister<br />

Klose, der Radikalenerlass würde an der Elbe nicht mehr praktiziert (obgleich noch immer<br />

Bewerber für den hanseatischen Staatsdienst ihre rechte Gesinnung nachweisen müssen - "egal", so<br />

Senatssprecher Paul O. Vogel, "ob jemand Polizeibeamter oder nur Gärtner beim Friedhofsamt<br />

werden will.").<br />

Unversehens finden sich die Sozialdemokraten in der Rolle jenes Hexenlehrlings, der die<br />

Geister nicht mehr los wird, die er rief. Schon werden in Bayern und Baden-Württemberg auch<br />

SPD-Mitglieder von öffentlichen Ämtern ferngehalten, weil sie früher dem Sozialdemokratischen<br />

Hochschulbund (SHB) angehörten oder an Demonstrationen teilnahmen, bei denen auch<br />

Kommunisten mitmarschierten. Zum Beispiel der Pädagoge Reinhard Laudi, 29, SPD, dessen<br />

Bewerbung <strong>als</strong> Studienrat in Bayern aus politischen Gründen abgelehnt wurde; der<br />

Volksschullehrer Hans Kolb, 26. SPD, dem Bayern die Aufnahme in den Schuldienst wegen<br />

mangelnder Verfassungstreue verweigerte; die Assessorin Charlotte Nieß, 28, SPD, die in Bayern<br />

vergebens um die Einstellung in den Justizdienst bat. Sie wurde zur Extremistin gestempelt, weil sie<br />

dem Vorstand der "Vereinigung freiheitlich demokratischer Juristen" angehört, in dem auch ein<br />

paar Kommunisten sitzen. In Baden-Württemberg blieb die Pädagogin Beate Weid, SPD, auf der<br />

Strecke, weil sie bei Studenten-wahlen für den SHB kandidiert hatte.<br />

Auf der vom Radikalenerlass vorgezeichneten Linie versucht CDU/CSU jetzt mit ihrem<br />

Wahlslogan "Frei-heit statt Sozialismus" die gesamte SPD in den Verdacht der<br />

Verfassungsfeindlichkeit zu rücken. Und der Bayern-Kurier führte vor, wie rasch selbst Willy<br />

Brandt hinter den "Eisernen Vorhang" katapultiert werden kann. Brandt, so schrieb das Strauß-<br />

Organ habe die Darstellung <strong>als</strong> unwahr zurückgewiesen, er sei Kommunist gewesen. Originalton<br />

Bayern-Kurier: "Legt man den Begriff Kommunist in dem engen Sinne aus, dass damit nur ein<br />

Mitglied einer kommunistischen Partei bezeichnet werden darf, dann hat Brandt in der Tat recht.<br />

Andererseits dürfte es ihm aber schwerfallen, nachzuweisen, dass er kein Helfer des<br />

Kommunismus war."<br />

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