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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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wurden achtlos dem Erdboden gleichgemacht. Beton entstand, Banken und Bonzen zogen dort<br />

ein.<br />

Genau sind dagegen Profite oder auch Spekulations-Gewinne an der Börse zu kalkulieren,<br />

scheinbar. Grund und Boden sind im Zentrum ausverkauft, bei Quadratmeterpreisen bis zu 14.000<br />

Mark. Genau ist auch die Zahl derer, die eine Wohnung bitter benötigen: 20.500, wobei 1.000<br />

Luxuswohnungen leer stehen. Genau ist die Zahl von 153 Häusern mit insgesamt 430 Wohnungen,<br />

die zuletzt den Bulldozern und Spekulanten zum Opfer fielen. Genau sind auch die Manager, die in<br />

ihren klimatisierten Hochhäusern den Panorama-Blick ihr eigen nennen und die Stadt unter sich<br />

wissen. Kaum eine Dollar-Talfahrt ohne Intervention der Deutschen Bundesbank, kein<br />

Metallarbeiter-Streik ohne Eugen Loderer (1972-1983; *1920+1995) und später Franz Steinkühler<br />

(1989-1992) samt der Bank für Gemeinwirtschaft, keine Hoffnung auf sichere Arbeitsplätze im<br />

Norden und Süden des Landes, wenn Banken mit Sitz in Frankfurt, kränkelnde Unternehmen<br />

Kredite oder Bürgschaften entziehen.<br />

Ein deutsches Missverständnis ist auch die Sozialdemokratie in dieser Stadt, die<br />

programmatisch und emotional abgewirtschaftet hat. Eine Orts-SPD, weil links von der<br />

Bundespartei, förderte die Spekulationsprofite am Börsenplatz Frankfurt, City-Zerstörung und<br />

Mietwucher. Genau sind dafür Skandale und Affären, bis auf Heller und Pfennig, Euro und Cent.<br />

Millionen-Verluste der Hessischen Landesbank (Helaba) bei merkwürdigen Investitionen unter<br />

SPD-Aufsicht. Spenden-Geschichten, die in Wirklichkeit Schmiergelder waren.<br />

Ein weiteres Frankfurter Missverständnis ist ferner, dass jeder vierte Polizeibeamte ein<br />

Versetzungsgesuch eingereicht hat. Vielen ist es egal, wohin, nur raus aus dieser Stadt. Genau<br />

waren und sind aber ihre paramilitärischen Aufmärsche und ihre Knüppelaktionen - gegen alles,<br />

was nach Demonstrant riecht und nach Hausbesetzer aussieht.<br />

Missverständnisse über all die Jahre, das macht nervös, so viel Genauigkeit und<br />

Geschäftigkeit macht sarkastisch. Denn die viel zitierte Betroffenheit ist offenkundig nur eine<br />

winzige Nische, die noch bleibt, um sich in einem hoffnungsvollen Rest zurechtzufinden. Sie ist die<br />

Maxime der Spontis und Frankfurt ihre Hochburg. So wie es Daniel Cohn-Bendit, der<br />

Studentenführer vom 68er Pariser Pflaster von einst, meinte: "Beim Bau der Barrikaden wurden die<br />

Grundlagen für die Entstehung neuer emotionaler Beziehungen gelegt. Diese Barrikaden-<br />

Gemeinschaft verkörperte den großen Einbruch der Zukunft in die Gegenwart. Diese Nacht hat<br />

viele Psychiater arbeitslos gemacht."<br />

Es sind vornehmlich die Psychotherapeuten, die in Frankfurt einer ungeahnten<br />

Hochkonjunktur entgegensehen. Wie die Lufthansa legte auch das Sigmund-Freud-Institut (1960<br />

gegründet, seit 1995 Forschungseinrichtung) eine allerdings auf Jahre währende Warteliste an.<br />

Hunderte von Menschen halten ihren Grundwiderspruch zwischen Denken und Fühlen, zwischen<br />

Kopf und Bauch zusehends schwerer aus. Der Besuch beim Psychiater gerät zur all wöchentlichen<br />

Routine; zählt im Bildungsbürgertum und einer arbeitslosen akademischen Jugend zum<br />

gesellschaftsfähigen, ichbezogenen Gesprächsstoff dieser Jahre.<br />

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt über die Spontis: "Die schwer<br />

überschaubare undogmatische links-extremistische Bewegung besteht nach wie vor aus zahlreichen<br />

meist kleinen Gruppen - oft nur lockere, kurzlebige Zusammenschlüsse ohne feste Mitgliedschaft<br />

und Programm - die die bestehende soziale und politische Ordnung revolutionär beseitigen wollen.<br />

Sie lehnen die marxistisch-leninistische Konzeption ab und treten für Autonomie, Spontaneität und<br />

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