07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

operativ-taktischen Raketen in den öffentlichen Diskussionen nicht mehr ankommt. "Möllemanns<br />

Vorschlag für Zone ohne Kernwaffen", lautet nunmehr seine Schlagzeile.<br />

Dabei handelt es sich um eine uralte FDP-Idee, die bereits Mitte der sechziger Jahre zur<br />

Parteiprogrammatik gehörte. Aber Möllemann weiß, wie man Nach-richten verhökert, wie man<br />

verstaubte, in der Sache längst überholte FDP-Propaganda <strong>als</strong> "brandneu" serviert, "wo doch die<br />

Politik ohnehin von Wiederholungen lebt."<br />

Um acht Uhr sitzt er mit seiner Frau Carola Möllemann-Appelhoff, einer Lehrerin und<br />

FDP-Rathaus-Politikerin in Münster, am Frühstückstisch, <strong>als</strong> seine "Auffassung über eine<br />

atomwaffenfreie Zone im Geltungsbereich der KSZE-Schlussakte von Helsinki" aus dem Radio<br />

dröhnt. In solchen Glücksminuten kann er sich gar nicht beruhigen, er klopft sich triumphierend<br />

auf den durchtrainierten Schenkel. "Carola", sagt er da, " der Tag beginnt. Bin wirklich gespannt,<br />

was der Dicke dazu meint."<br />

Die Ansichten des "Dicken", wie Möllemann seinen Parteivorsitzenden Hans-Dietrich<br />

Genscher nennt, durchdringen sein Seelenleben. Dieser Genscher bestimmt Höhen und Tiefen,<br />

bewirkt Euphorie oder Motivationsabfall. Ihm hat er sich unmerklich verschrieben, dem Ziehvater<br />

verdankt er so ziemlich alles, was aus ihm in Bonn geworden ist.<br />

Ohne Genscher wäre Möllemann ein Hinterbänkler geblieben. Genscher brachte ihn über<br />

den parteipolitischen Proporz-Anspruch ins Fernsehen, schickte ihn auf Erkundungs-fahrt um den<br />

Globus, ohne Genscher hätte Möllemann nie und nimmer in die Vermittlung von Arabien-<br />

Geschäften einsteigen können.<br />

Mit Genscher im Hintergrund schafft er das Entree, avancierte zum jüngsten<br />

Staatsminister der Regierung Kohl, zum Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten der nordrheinwestfälischen<br />

FDP. Und über Genscher knüpfte Möllemann seine Bande zu Lambsdorff, die<br />

immer dichter, immer menschlicher gediehen, bis er im Grafen "so etwas wie einen Onkel"<br />

ausmachte; zu dritt betrieben sie die Bonner Wende.<br />

Einfach außergewöhnlich, fast übermenschlich umwerfend, muss dieser Genscher auf ihn<br />

wirken, eine von Außenstehenden bislang nicht erkannte faszinierende Persönlichkeit, die ihn selbst<br />

in den späten Abendstunden in "Kuhlmanns Eck" , der Stammkneipe in Münster, <strong>als</strong><br />

charismatisches, väterliches Über-Ich beschäftigt: Möllemanns profane wie distanzlose Elogen auf<br />

den Meister geraten zu langatmigen Selbstgesprächen.<br />

Nach misslungenen Veranstaltungen hat er sich in seiner ziemlich einseitigen Bindung oft<br />

gefragt: "Was würde wohl Genscher dazu sagen?" Und überhaupt hat doch auch Genscher<br />

angedeutet, "dass Vorsicht geboten sei vor den fanatischen, verbiesterten, verkrampften Gesichtern<br />

aus der Friedensecke".<br />

"Schon wenn die von ihren Ängsten lamentieren", fährt Möllemann fort, "kommt es in<br />

mir übel hoch. Als hätten wir etwa keine Ängste. Die hatte ich gewaltig im Flugzeug beim ersten<br />

Fallschirmsprung. Auch noch <strong>als</strong> ich im Wahlkampf für die Partei vom Himmel geplumpst bin.<br />

Immer wieder habe ich den inneren Schweinehund überwunden."<br />

Mit der leise gemeinten Bemerkung, "erst am letzten Sonntag hat Genscher bei uns zu<br />

Hause wieder angerufen", erhöht Möllemann unter seinen Zuhörern gern die abgeschlaffte<br />

Aufmerksamkeit. Natürlich will einer unverzüglich wissen, was Hans-Dietrich Genscher denn so<br />

wollte: "Eigentlich gar nichts. Der klingelt immer mal durch, wenn er am Wochenende Langeweile<br />

hat und vom Telefon nicht lassen kann. Diesmal musste er die Namen der Personen raten, die sich<br />

469

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!