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Das Internationale Rote Kreuz entschloss sich im Mai 1977 zu einem ungewöhnlichen<br />

Schritt, um auf die verzweifelte Situation der politischen Gefangenen aufmerksam zu machen.<br />

Gehört es normalerweise zur Geschäftsgrundlage des Roten Kreuzes, unter Ausschluss der<br />

Öffentlichkeit Regierungen in vertraulichen Berichten eine Abänderung betreffender Missstände zu<br />

fordern, so wählte das Rote Kreuz im Fall Indonesien den Schritt an die Öffentlichkeit. In einem<br />

Bulletin vom 4. Mai 1977 beschwerte sich das Rote Kreuz darüber, von der indonesischen<br />

Regierung bei einem Inspektionsbesuch über die tatsächliche Lage der Inhaftierten<br />

hinweggetäuscht worden zu sein. Ihm - dem Roten Kreuz - seien nur einige eilig verschönte Lager<br />

gezeigt worden, die für den Besuch mit Betten, Nahrungsmitteln und Freizeitgeräten<br />

vorübergehend ausstaffiert worden seien. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes kündigte<br />

an: "Wir werden weiterhin Reisen in indonesische Gefangenenlager unternehmen und erwarten,<br />

dass uns dabei keine Schwierigkeiten gemacht werden."<br />

Die Zahl von 100.000 politischen Gefangenen in Indonesien ermittelte amnesty<br />

international . Die meisten Institutionen und ausländischen Regierungen, die sich inzwischen um<br />

die Missachtung der Menschenrechte in dem fernen Inselreich kümmern, haben diese Zahl<br />

übernommen. Sie schenken den niedrigen Angaben der indonesischen Behörden keinen Glauben.<br />

In ihren letzten offiziellen Verlautbarungen sprach die indonesische Regierung von 39.000<br />

politischen Gefangenen. Doch gleichzeitig sagte der Gener<strong>als</strong>taatsanwalt Sugih Arto: "Es ist<br />

unmöglich zu sagen, wie viele politische Gefangene es gibt. Es ist eine ständig schwankende Zahl<br />

wie der Wechselkurs des Yen gegenüber dem Dollar."<br />

Die indonesische Tragödie begann im Jahre 1965. Dam<strong>als</strong> regierte in Indonesien der<br />

außenpolitisch nach Peking hin orientierte Präsident Achmed Sukarno (1901-1970), gestützt auf<br />

den Bündnis von Nationalisten, religiöser Parteien und Kommunisten. Die Kommunistische Partei<br />

Indonesiens, die PKI (Partai Komunis Indonesia) hatte im Jahre 1955 bei den letzten Wahlen 16<br />

Prozent der Stimmen errungen, sie war viertstärkste Kraft geworden und wuchs in den folgenden<br />

Jahren ständig. In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1965 putschten Einheiten der<br />

Armee unter Führung von Oberstleutnant Untung. Sie nahmen sechs Heeresgeneräle gefangen und<br />

richteten sie noch am selben Tag hin. Sie erklärten das Kabinett Surkano für abgesetzt. An seine<br />

Stelle installierten sie ein 45 Mann umfassendes Gremium aus Persönlichkeiten aller politischer<br />

Schattierungen. Ausgeschlossen blieben stark antikommunistische Politiker und Militär. Innerhalb<br />

dieses Gremiums waren allerdings auch nur drei Mitglieder Kommunisten.<br />

Die Aufständischen erklärten, sie hätten mit ihrem Putsch einer Revolte konservativer,<br />

vom amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützter Teile des Heeres zuvorkommen wollen. Es<br />

sollte später oft davon die Rede sein, dass Präsident Sukarno die Untung-Revolte insgeheim<br />

gefördert hatte. Schon am Nachmittag desselben Tages kam der konservative Gegen-Putsch. Der<br />

Befehlshaber der strategischen Reserve, Generalmajor Suharto, besetzte die Rundfunkstation<br />

Djakartas und erklärte, der Putsch des Oberstleutnant Untung sei von der PKI, von der<br />

Kommunistischen Partei Indonesiens, ferngesteuert gewesen. Doch seine, Suhartos Truppen,<br />

hätten den Umsturz in der indonesischen Republik verhindert und die Ordnung wiederhergestellt.<br />

Generalmajor Suharto, der bald darauf <strong>als</strong> Präsident auch selbst die Verfügungsgewalt<br />

über Menschen, Millionen und Materialien übernahm, stellte die Ordnung mit einem der<br />

folgenschwersten Massaker in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder her. Als westliche<br />

Reporter, die den Insel-Staat Ende des siebziger Jahrzehnts bereisten, spürten wir vielerorts Angst,<br />

Furcht, Bangigkeit in diesem von Blut getränkten Land. Auch ich hatte Angst, Schweißausbrüche,<br />

nervöse, nahezu schlaflose Nächte. Ich notierte in meinem Reisetagebuch: "Indonesien - in einer<br />

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