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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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heißt für sie, dafür zu sorgen, dass derlei Messen mit zweierlei Maß aufgehört. Nur, wie will sie da<br />

etwas erreichen? Nicht durch Maßnahmen in der Politik oder der Justiz. Nein - vielmehr durch<br />

Orientierungsangebote liberaler Nachdenklichkeit. Allein das Vorhandensein eines erfolgreichen<br />

Liberalismus in der Politik könne Richter dazu bringen, die sogenannten gesellschaftlichen<br />

Aufgaben, wie sie in den großen Parteien bis zum Überdruss propagiert würden, niedriger zu<br />

hängen und im konkreten Fall liberaler ihres Amtes zu walten.<br />

Als "Parteitheoretikerin" kam sie - zur Erleichterung mancher Parteigenossen - nicht weit.<br />

Irmgard Schwaetzer begriff schnell, dass ihr programmatisches Anliegen eine Art Spielwiese war.<br />

Ihr fehlte die Unterstützung ihres Vorsitzenden Genscher. Er hatte seiner Gener<strong>als</strong>ekretärin von<br />

Anfang an das Gefühl vermittelt, sie zu gebrauchen statt zu brauchen. Im Bonn jener Jahre für<br />

Frauen nichts Neues. Genscher hielt sie wohl seinerzeit <strong>als</strong> Gener<strong>als</strong>ekretärin für wichtig, um<br />

weibliche Wählerstimmen auf Nebenschauplätzen zu gewinnen -"Spielwiesen" genannt.<br />

Für Irmgard Schwaetzer waren es bewegte Jahre, in denen Anspruch und Wirklichkeit in<br />

einem krassen Missverständnis zueinander standen. Offiziell leitete sie zwar die<br />

Programmdiskussion, tatsächlich hatte sie aber wenig zu melden. Schon deshalb, weil die Herren<br />

derlei Diskussionen samt Thesen für mehr <strong>als</strong> überflüssig hielten. Hatten sie doch ganz andere<br />

Sorgen. In einem Parteien-Handstreich auf die Verfassung sollte dam<strong>als</strong> eine Generalamnestie<br />

erwirkt werden, um sämtliche Strafverfahren gegen höchste Repräsentanten von Staat, Parteien und<br />

Industrie aus der Welt zu schaffen.<br />

Und zwar für alle, die zum Vorteil ihrer Parteien Steuern hinterzogen, Politik mit<br />

Geschäft undurchsichtig vermischten, Schmiergelder kassierten, auf dunklen internationalen<br />

Kanälen weitergaben und sich wegen Untreue, Betrug, Urkundenfälschung, den<br />

Bestechungskriterien der Vorteilnahme und Vorteilsgewährung verantworten mussten. Immerhin<br />

standen nahezu 700 Ermittlungsverfahren an: in 22 Fällen die SPD, in 170 die CDU und in 510<br />

Untersuchungen die FDP betreffend. - Der Staat <strong>als</strong> Supermarkt der Selbstbedienung der Politiker-<br />

Klasse. Natürlich schnitten die Herren "Selbstbediener" ihre Gener<strong>als</strong>ekretärin vom<br />

Informationsfluss ihrer abenteuerlichen Selbstamnestie ab. Irmgard Schwaetzer zog die<br />

Konsequenz, <strong>als</strong> sie von dem Coup erfuhr. Sie schloss sich dem Widerstand gegen das<br />

Amnestiegesetz an und brachte es unvorhergesehen zu Fall. Gener<strong>als</strong>ekretärin wollte sie dann<br />

freilich auch nicht mehr sein - im Jahre 1984.<br />

Karrierebaustein Nummer zwei: Dass "Macht ein Faszinosum" ist, das hatte Irmgard<br />

Schwaetzer mittlerweile längst erkannt. Und von ihr konnte und wollte sie wohl auch nicht mehr<br />

lassen. Folglich kandidierte sie auf dem Parteitag in Münster 1984 für das Amt des Schatzmeisters.<br />

Offenbar <strong>als</strong> Anerkennung für ihre unbeugsame Haltung gegenüber dem Amnestievorhaben erhielt<br />

sie 322 Ja-Stimmen das beste Wahlergebnis in ihrer Politikerinnen-Laufbahn. Dabei war die<br />

finanzielle Lage der FDP mehr <strong>als</strong> katastrophal. Bereits Mitte der siebziger Jahre schienen die<br />

Liberalen nahezu bankrott. Dam<strong>als</strong> konnte sich die Partei nur mit einem 6-Millionen-Kredit über<br />

Wasser halten, den ihr die SPD vermittelte. Ein Schuldenstand von insgesamt 10,8 Millionen Mark<br />

belasteten die Parteikonten, die Zinsen vermochte die FDP kaum noch zu tilgen. Der informelle<br />

Spitzenzirkel um Hans-Dietrich Genscher fürchtete aus gutem Grund um seine "politische<br />

Unabhängigkeit". Keiner wusste jedoch, wie dem drohenden Fiasko zu entgehen sei. Aberm<strong>als</strong><br />

bestätigte sich eine zum Klischee ausgefranste Lebensweisheit: Wenn Männer ihre Konten heillos<br />

überzogen haben, ist es die Kärrnerarbeit der Frauen, aus rote wieder schwarze Zahlen zu machen.<br />

- Es war die unspektakuläre Zeit der Irmgard Schwaetzer, ihre Monate <strong>als</strong> Bundesschatzmeisterin,<br />

still und unauffällig im Hintergrund.<br />

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