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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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versuchte ich im Kanzleramt zu ändern. Das fanden viele nicht gut. Ich habe zuweilen Briefe, die<br />

nach draußen gingen, dreimal zurückgehen lassen, weil sie wie ein Formblatt, mit genormten<br />

Sätzen, abgefasst waren. Ich stellte mir vor, welche Wirkung solche Briefe auslösten; da wandten<br />

sich Bürger mit ihren Problemen direkt an den Bundeskanzler, und sie erhielten ein abweisendes,<br />

unverständliches Null-Acht-Fünfzehn-Schreiben <strong>als</strong> Antwort zurück. Ich habe die Referenten<br />

immer wieder neu formulieren lassen, weil sie unfähig oder auch nicht willens waren, etwas<br />

verständlich auszudrücken, die Bürger lieblos mit x-beliebigen Paragrafen eindeckten. Ohne<br />

Verständnis, ohne Anteilnahme, ohne reale Hilfestellungen wurden die Briefe im Schnellverfahren<br />

herunter diktiert. Das sprach sich schnell herum, dass ich so etwas nicht durchgehen ließ, und eine<br />

Flut von Briefen kam dann auf mich zu. Man glaube, dass ich die Post für alle machen könnte. Die<br />

Konsequenz war, dass ich einen zusätzlichen Referenten <strong>als</strong> Briefeschreiber benötigte. Da<br />

intervenierte hilfreich der Bundeskanzler persönlich, was ungewöhnlich ist, weil er sich um die<br />

Verwaltung ja nicht kümmern muss.<br />

Helmut Schmidt nahm mich überall dorthin mit, wo er bei schwierigen Verhandlungen<br />

Verhärtungen der Positionen vorhersah. Diese Versteinerungen aufzulösen oder erst gar nicht<br />

aufkommen zu lassen, das war meine Aufgabe, und sie ist mir gelungen. Ob bei Mao Tse-tung<br />

(*1893+1976) in China, bei Lyndon B. Johnson (*1908+1973) oder später bei Gerald Ford (*1913<br />

+2006) in Washington oder auch bei Alexej Kossygin (*1904+198o) in Moskau, selbst beim<br />

Bundespräsidenten Gustav Heinemann (*1899+1976) -dort, wo es brenzlig zu werden drohte, wich<br />

ich keinen Zentimeter von Helmut Schmidts Seite. Er wollte vorbeugen, und ich strahlte vor.<br />

Bevor ich ihn zum damaligen Bundespräsidenten begleitete, wo er sich seine Ernennungsurkunde<br />

abholen sollte, meinte er zu mir, dass in meiner Gegenwart die Gespräche friedlicher,<br />

aufgeschlossener und angenehmer verlaufen würden.<br />

Helmut Schmidt befürchtete, dass uns das Ausland für zu stark, zu mächtig, zu reich hielt.<br />

Seine Ängste waren nur zu berechtigt. Denn wenn wir aus unserer tatsächlichen wirtschaftlichen<br />

Stärke heraus Politik gemacht hätten, dann hätte man doch nur mit Misstrauen gegenüber uns<br />

Deutschen reagiert. Für meine Begriffe hat Helmut Schmidt diesen Trapezakt gut absolviert. Er<br />

bemerkte im kleinsten Kreis oft: wenn bloß die bundesrepublikanischen Wirtschaftsrepräsentanten<br />

und die Pressevertreter im Ausland nicht so protzig auftreten würden.<br />

Vielleicht gehört es auch zu meinen Eigenarten, dass ich mir immer alle möglichen<br />

Probleme auflade. Wenn ich dann hart angegangen worden bin, habe ich mir das aber nie gefallen<br />

lassen. Ich mochte nicht, wenn ich im Arbeitsverhältnis nur <strong>als</strong> Frau angesehen wurde, der die<br />

Ministerialbeamten oft mit gequälten Höflichkeiten und Komplimenten begegneten. Darauf habe<br />

ich meistens sauer reagiert. Wie, wenn sich eine Frau so verhalten würde? Dieses ganze Theater ist<br />

doch absurd und verlogen. Denn hinter den Masken stecken doch Ab-sichten. Das musste ich in<br />

Bonn lernen. Andererseits entwickelte sich in diesem Bonn eine mir sehr wertvolle Frauen-<br />

Freundschaft mit Loki Schmidt, mit der ich oft zusammen war.<br />

Zu Helmut Schmidt fühlte ich mich schon wegen der Sachaufgaben hingezogen. Wir<br />

sagten uns auch zuweilen offen die Meinung, ohne uns irgendetwas zu verübeln. Manchmal haben<br />

unsere Gespräche einen Austauschcharakter gehabt. Und es war für mich immer ein<br />

Erfolgserlebnis, wenn er sich meinen Ratschlag zu Eigen machte. Es kam auch vor, dass ich ihm<br />

via Loki - der sicherste Weg überhaupt -meine Meinung über dieses oder jenes sagen konnte.<br />

Helmut Schmidt bedankte sich tags darauf kurz bei mir und ging dann Schnurstraks zur<br />

Tagesordnung über. Das war typisch für Schmidt. Typisch war auch, dass wir uns im Kanzleramt,<br />

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