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Walter Scheel (1968-1974) mochte Herbert Wehner nicht mitmachen: "Nr 1 und 2, so läuft das<br />

nicht."<br />

Willy Brandt indes will die von Herbert Wehner geforderte Politik der Stärke gegenüber<br />

dem liberalen Partner erst kurz vor der Bundestagswahl 1976 beginnen. Der Kanzler: "Es ist ganz<br />

klar, dass wir uns eines Tages deutlich werden abgrenzen müssen. Aber jetzt ist das viel zu früh.<br />

Das macht die Koalition schon im nächsten Jahr kaputt." Nach Brandts Ansicht wäre Wehners<br />

Konzept für Leute wie den FDP-Taktiker Hans-Dietrich Genscher (Innenminister 1969-1974) nur<br />

ein willkommender Anlass, ihrerseits einen Kurs der Entfremdung von den Sozialdemokraten zu<br />

steuern. Dies könnte die FDP wieder zur CDU/CSU treiben. - Machtgeplänkel.<br />

Beim Duell mit Herbert Wehner rechnet Willy Brandt auf das Opportunitätsdenken der<br />

SPD-Abgeordneten. Vor die Wahl zwischen ihm und dem ruppigen Fraktionschef gestellt, würden<br />

sie sich auf die Seite des Mannes stellen, der ihnen ihr politisches Überleben garantiere.<br />

Kanzleramts-Staatssekretär Horst Grabert (1972-1974): "Ohne Willy verliert die SPD doch die<br />

nächste Wahl."<br />

Doch auch Herbert Wehner hat fürs letzte Gefecht vorgesorgt. Klassenkämpferisch<br />

kritisierte er den Koalitionskanzler, Brandt betreibe mit den Liberalen eine Politik der gebremsten<br />

Reformen auf dem Rücken der Genossen. Die Außenpolitik stagniere, weil sich Walter Scheel<br />

(Außenminister 1969-1974) zum Autogrammsammler unter Verträgen" entwickelt habe. Auf diese<br />

Weise verstand es der Polit-Profi "Onkel Herbert" seine 242-Mann-Fraktion weitgehend für sich zu<br />

solidarisieren. Noch unschlüssige Genossen brachte er auf seine Seite, indem er eine fingierte<br />

Rücktrittsdrohung in Umlauf setzte. Selbst jene Parlamentarier, die sich ständig über den<br />

autoritären Führungsstil Wehners geärgert hatten, entschieden sich daraufhin für ihn. Der<br />

Göttinger Jung-Abgeordnete Günter Wichert, 38, (SPD-MdB 1969-1974): "Politisch, vor allem in<br />

der Ostpolitik, stehe ich voll hinter Onkel Herbert." Und sein linker Kollege Karl-Heinz Hansen<br />

(SPD-MdB 1969-1981, Parteiausschluss) assistiert: "Nach Wehner kommt nichts mehr außer der<br />

zweiten Garnitur."<br />

Seit jener wohl folgenschweren Vorstandssitzung weiß Willy Brandt , dass es zwischen<br />

ihm und dem Fraktionsführer keine Übereinkunft mehr geben wird. Der Machtverfall hat<br />

begonnen. Deshalb ist er zum Kampf, zum Überlebenskampf entschlossen. "Unter den Teppich<br />

wird das nicht gekehrt."<br />

Wie sich derlei Szenarien in dieser Verwirr-Spiel-Zeit der Sozialdemokraten ähneln, wie<br />

ausnahmslos und atemlos aus Parteifreunden unverblümt Feinde wurden. Und fast immer gingen<br />

sie schon direkten Schrittes auf den vermeintlichen Gegner los. Die Getränke - ob in Kaschemmen<br />

zu Bonn-Kessenich oder dem erlauchten Kanzlerbungalow waren noch nicht einmal akkurat auf<br />

den Tisch gestellt. Da polterten, gifteten wutentbrannt -fernab jeder Contenance -Hans-Jochen<br />

Vogel und Helmut Schmidt gegen eine junge SPD-Generation, die sich Jungsozialisten nennt.<br />

Eindringlich beschworen die beiden Minister den SPD-Chef Willy Brandt (1964-1987), die<br />

radikalen Linken in den eigenen Reihen endlich mundtot zu machen. Ihr Hauptvorwurf: Jusos-<br />

Thesen, die "noch links von der DKP angesiedelt sind" (Vogel), würden die SPD-Wähler<br />

vergraulen.<br />

Willy Brandt zauderte und empfahl den Partei-Rechten Geduld und Beharrlichkeit: "Als<br />

Regierungschef und Parteivorsitzender sehe ich die Verantwortung fürs Ganze." Brandts<br />

Beschwichtigungsversuch brachte die hohen Gäste erst recht in Harnisch. Helmut Schmidt<br />

polterte: "Du kümmerst dich nur noch um die Scheiß-Weltpolitik, und ich muss hier schuften. Du<br />

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