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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Wissenschaftlerinnen in Führungsetagen versteht sich. Insgesamt verfügt das Land über ein<br />

Potenzial von 27.000 Ingenieurinnen.<br />

Die Ingenieurin Isabelle Taillois-Galbano meint: "Auch wenn wir es mit viel Mühe<br />

geschafft haben, hier im Kernkraftwerk zu arbeiten, so sind doch in erster Linie Frauen in unserem<br />

Denken, Fühlen und Handeln. Unser Frausein verträgt nun einmal schlecht diese unbegründete<br />

Männer-Herrschaft aus der Steinzeit, dieses undurchsichtige Cocorico-Getue. Partnerschaft,<br />

Transparenz und Einfühlungsvermögen sind gefragt denn je. Solange wir Frauen in der Minderheit<br />

sind, werden wir von diesen Machos nur halbwegs geduldet. Aber dieses Mann-Verhalten bricht<br />

ein. Mal sehen, was dann auf uns zukommt."<br />

Ihre Alltagswirklichkeit ist bestimmt von steriler Abgeschiedenheit und der Kälte der<br />

Apparate mit all den peinlich genauen Sicherheitsauflagen. Dort, wo Gefühle belächelt,<br />

Hoffnungen begraben, der Leidensdruck umgeleitet und Enttäuschungen standhaft genommen<br />

werden. Klinisch-rein hat das Seelenleben der Kernkraft-Frauen ohnehin zu sein. Tagsüber am<br />

Reaktor, abends in der Freizeit in den von der EDF nur für Mitarbeiter gebauten Wohnsiedlungen.<br />

"Einmal EDF - immer EDF, auch privat EDF", murmelt die 31jährige Murielle Vivier-Bessard. "Ja,<br />

ja richtig, auch mein Vater war schon bei der EDF", fährt sie süffisant fort.<br />

Das Leben der Murielle Vivier-Bessard scheint in gewisser Weise symptomatisch für den<br />

französischen Frauen-Aufbruch zu sein. In ihrem Arbeitszimmer türmen sich hohe Papierberge auf<br />

ihrem Schreibtisch. Und irgendwo blickt da ein Bubikopf mit großen hellen Augen in auffälliger<br />

Hab-Acht-Stellung heraus. Ihre äußeren Merkmale wollen so gar nicht zum französischen Schick<br />

passen: Pulli und Jeans, ziemlich schüchtern schaut sie drein, latente Berührungsängste.<br />

Wenn sie oder ihre Kolleginnen von den Männern sprechen - und das müssen sie allzu oft<br />

tun - so heißt es nur lapidar: "Ceux d'en haut"- "die da oben" -<strong>als</strong> Synonym für den Mann, <strong>als</strong><br />

Kürzel für die Männer-Welt in den Kernkraftwerken an den Kommandozentralen versteht sich -<br />

noch. Seit einem Jahr leitet Murielle Vivier-Bessard die Abteilung Buchhaltung des<br />

Kernkraftwerkes, <strong>als</strong> Chef-Buchhalterin mit 30 Mitarbeitern. Sie verdient etwa 2.500 Euro<br />

monatlich.<br />

Als die Angestellte zum ersten Mal ins Werk kam, befand sie: "Angst vor der<br />

französischen Atomtechnik habe ich nicht, sondern durch Wissen begründetes Vertrauen.<br />

Dennoch muss ich einen hohen Preis für mein berufliches Fortkommen zahlen. Aber ich will - und<br />

zwar bar." Gerade erst hatte Murielle Vivier-Bessard in Clermont-Ferrand geheiratet. Um der<br />

Karriere willen ließ sie ihren Mann, einen Bankangestellten, zurück. Und dieser kann in Le Bugey<br />

und Umgebung trotz emsiger Anstrengungen keine Anstellung finden."Also wird er wohl<br />

langfristig einfach so kommen", mutmaßt Murielle, "<strong>als</strong> Hausmann, warum denn eigentlich nicht.<br />

Die Männer sind doch sowieso in einer gesellschaftlichen Krise, suchen verbissen nach einer neuen<br />

Identität." Aber noch ist es nicht selbstverständlich, dass Frauen in leitenden Positionen akzeptiert<br />

werden. -Immer wieder fragen ich mich stereotyp die Herren, wie viele Kinder ich denn schon zu<br />

Hause hätte, wenn es Sachprobleme zu erörtern gilt. Quasi <strong>als</strong> Qualifikationsnachweis für meinen<br />

Job im Kernkraftwerk. Es ist nervig und beschämend zugleich. Dabei wollen wir mit diesen<br />

Männern zusammen-arbeiten. Wir sind hier keine militanten Feministinnen. Nur sie müssen<br />

endlich in ihrem Verhalten begreifen, dass wir nicht die Püppis der Nation sind."<br />

Isabelle, die zugehört hat, signalisiert Einvernehmen. Isabelle Taillois-Galbano ist<br />

Ingenieurin in Le Bugey, für die Einstellung von Technikern verantwortlich. Sie ist eine eloquente<br />

Frau von 33 Jahren, Mutter dreier Kinder und eine mathematisch-physikalisch versierte<br />

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