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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Für Kaltenhäuser und seine Freunde ist ihre adidas-Muttermilch auch eine politische<br />

Gesinnungsfrage. Denn hinter den drei Streifen gruppieren sich die Roten, hinter puma verstecken<br />

sich die Schwarzen der Stadt, die seit zehn Jahren den CSU-Bürgermeister Ort auf ihrer Seite<br />

wissen. Keine Kneipe, kein Geschäft, kein Hotel, das sich nicht in dieses selbst gestrickte Raster<br />

fügen ließe. Kaltenhäuser und Co. ("Wir sind die Sozis") verkehren nun mal nicht im pumabevorzugten<br />

Auracher Hof oder in der "schwarzen" Krone. Tabus, die schon seit Jahrzehnten<br />

existieren und bisher niemand zu lockern trachtete. Statt dessen hocken die roten Adidianer<br />

wochentags in der "Kastanie", dreschen Schafskopf und lassen das Bier durchlaufen. Die Kastanie<br />

ähnelt einer fränkischen Wohnstube, die nur Stammkundschaft kennt. Wenn sich doch mal ein<br />

Auswärtiger über die Hemmschwelle wagt, wird es in der Kastanie schrecklich still.<br />

Ganz anders am Wochenende. Dann heißt es high noon in Herzogenaurach. Der<br />

Stellvertreterkrieg zwischen puma und adidas, zwischen Roten und Schwarzen, erlebt Sonntag für<br />

Sonntag facettenreiche Varianten. Wie verwandelt marschieren Kaltenhäuser und Frau an den<br />

Stadtrand. Selbstverständlich in der obligaten Sonntagsausgeh-Uniform; schließlich hat jeder noch<br />

ein zweites Paar gute Turnschuhe im Schrank. Mit viel Reißbrett-Geschick haben es die Stadtplaner<br />

verstanden, die Fußballplätze der beiden todverfeindeten Vereine keine 100 Meter Luftlinie<br />

auseinanderzulegen. Oben auf dem kleinen Hügel residiert der FC Herzogenaurach, der von puma<br />

gesponsorte Club, derzeit Kellerkind in der Bayernliga, der höchsten Amateurspielklasse. Unter<br />

quasi im Souterrain ist der Arbeitersportverein (ASV) zu Hause, von adidas gepäppelt und im<br />

oberen Drittel der Landesliga platziert.<br />

Kein Sonntag vergeht in diesem Frankenstädtchen ohne Zwischenfälle, mal mehr, mal<br />

weniger spektakulär. Das letzte Spiel zwischen FC und ASV - dam<strong>als</strong> kickten beide noch in<br />

derselben Klasse - war folgenschwer, puma säbelte adidas wiederum kappte in die Waden, puma<br />

seinerseits landete versteckte Nierenschläge. Bier- und Colaflaschen flogen übers Spielfeld,<br />

Sanitäter, Bahre, Krankenwagen.<br />

Dessen ungeachtet machten sich puma-Kinder derweilen auf des Gegners Platz an der<br />

adidas-Familienloge, einer alten Gartenbank, zu schaffen. Prompt hauten adidas-Ordner puma-<br />

Kinder, puma-Väter gerieten in Rage und prügelten los – Stellvertreter-Kriege in Herzogenaurach.<br />

Als an diesem Sonntag der Schlusspfiff die Anspannung abblies und das Spiel alle<br />

Beteiligten geschafft hatte, zog sich ein jeder in sein Vereinshaus zurück. Bei den Pumanern, den<br />

knappen Siegern, ließ der Konzern den Sekt auffahren. Im adidas-Haus traute sich kein Spieler zu<br />

den Fans. Vorn an der Theke allerdings keimte der Trotz. Eine abgedroschene Gestalt im<br />

Lodenkult, die so gar nicht zu den Roten passen will, gab da plötzlich den Takt an. Zahn heißt sie<br />

und wohnt in der Ansbacher Straße 2. Aber in Herzogenaurach kennt ihn jeder nur <strong>als</strong> "den<br />

Führer", weil sich der wirre Rentner für den Rest seines Lebens entschlossen hat, <strong>als</strong> Hitler-<br />

Imitator Ver- und Bewunderung zu erregen.<br />

Bislang war Rentner Zahn "nur" in der nahe gelegenen US-Base aus "Führer "<br />

aufgetreten. Vornehmlich verhökerte er das auf einem Porzellanteller eingebrannte Konterfei seines<br />

vermeintlichen Ebenbildes, las und dozierte aus der amerikanischen Ausgabe von "Mein Kampf"<br />

und ließ sich gemeinsam mit US-Soldaten ablichten; <strong>als</strong> Souvenir für die daheimgebliebenen<br />

Familien in Kentucky und Virginia. Zuletzt machte "Hitler-Zahn" von sich reden, <strong>als</strong> er zum<br />

Fasching US-Boys im Spalier antreten ließ und vor ihnen mit Führergruß auf-und abmarschierte.<br />

Nun stand dieser Unhold nach der verlorenen Schlacht im ASV-Sportheim vorn an der<br />

Theke und suchte, biertrunkene ASV-Anhänger wieder aufzumuntern. "Aber eins, aber eins, das<br />

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