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HIGH NOON IN BONN<br />

Partei-Verdruss - Partei-Profil - Partei-Zerrissenheit . SPD-Macht-Kämpfe in der<br />

deutschen Nachkriegs-Geschichte der siebziger Jahre. Warum die SPD-Rechte Willy<br />

Brandt (*1913+1992) mit Austrittsdrohungen zum Kampf gegen die linken Genossen<br />

treiben. Währenddessen das Duell zwischen Willy Brandt und Herbert Wehner<br />

(*1906+1990) eskaliert, gnadenlos ausgekämpft wird. Reminiszenzen markanter SPD-<br />

Vorgänge der Zeitgeschichte<br />

stern, Hamburg 13. September und 11. Oktober 1973 1<br />

Der Kanzler war beleidigt. Wütend verließ Willy Brandt (Regierungschef 1969-1974)am<br />

vergangenen Wochenende vorzeitig die Sitzung seines Parteivorstandes: "Das ist mir noch nicht<br />

passiert. Jetzt reicht's mir aber."<br />

Die Linken im SPD-Führungsgremium hatten das Zerwürfnis zwischen Willy Brandt und<br />

dem SPD-Fraktionschef Herbert Wehner (1969-1983) benutzt, um ihren bisher unangreifbaren<br />

Parteiführer seine erste Niederlage beizubringen. Auf Antrag des rheinland-pfälzischen<br />

Landesvorsitzenden Wilhelm Dröscher (*1920+1977) sollte der Moskau-Reisende Herbert Wehner<br />

für seinen Ost-Einsatz ausdrücklich vom Parteivorstand gelobt werden. Brandt hingegen versuchte<br />

dieses Pro-Wehner-Votum zu verhindern: "Darüber lasse ich nicht abstimmen!" Doch der linke<br />

Flügel kuschte nicht. Mit einer Stimme Mehrheit - zwölf gegen elf - setzte er sich gegen die Brandt-<br />

Anhänger durch. Zufrieden kommentierte der von Berlin angereiste Senatsdirektor Harry Ristock<br />

(*1928+1992) das Ergebnis: "Genossen, jetzt merkt man doch, dass die Parteibasis im Vorstand<br />

vertreten ist."<br />

In interner Runde wollten die Spitzengenossen dem Regierungschef klarmachen, dass sie<br />

die Kritik teilten, die der Fraktionsvorsitzende in der Sowjetunion an Brandts Führungsschwäche<br />

und der lauen Politik der sozialliberalen Koalition geübt hatten. Wilhelm Dröscher: "Der Wehner<br />

ist ein Mann mit strategischem Weitblick. Was er da in Moskau getan hat, sind doch wichtige<br />

Impulse für uns." Nach außen demonstrierten die Vorstandsmitglieder allerdings noch Einigkeit.<br />

Im offiziellen Kommuniqué verschwiegen sie die Kontroverse mit dem Vorsitzenden, weil sie nach<br />

den Konflikten mit Jungsozialisten und anderen Partei-Linken befürchten, den<br />

Selbstzerstörungsprozess der Sozialdemokratie" (Wohungsbauminister Hans-Jochen Vogel 1972-<br />

1974) zu verstärken.<br />

Doch Willy Brandt ist jetzt nach der Abfuhr im Parteivorstand zur totalen Konfrontation<br />

mit dem Machtstrategen der Bundestagsfraktion entschlossen. Der Bundeskanzler hat sich nach<br />

langem Zaudern wie Zögern dazu aufgerafft, seinem alten Weggefährten Herbert Wehner die<br />

Zusammenarbeit endgültig aufzukündigen.<br />

Die ihm zugetragenen Zitate Wehners aus der Sowjetunion ließen Brandt keine andere<br />

Wahl. Im Hotel "Kiew" in Kiew hatte Herbert Wehner den Kanzler zum Teil unflätig beschimpft,<br />

bis hin zum Fäkal- und Sexualbereich. Die mildesten politischen Abwandlungen: Brandt sei ein<br />

"schlaffer Kanzler", der zwar im Ausland gut ankomme, aber nicht merke, "wie unten alles<br />

zusammenbricht". Und auch Brandts Politik der guten Nachbarschaft zum FDP-Vorsitzenden<br />

1 mit Horst Knape<br />

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