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will von Fircks nichts mit der 'Aussiedlung', der Vertreibung von über einer Millionen Polen aus<br />

Siedlungsgebieten zu tun gehabt haben", schrieb der Pädagoge.<br />

Und er holte noch weiter aus. Weiter heißt es seinem DIN-A4-Papier, dass von Fircks die<br />

Polen mit Wanzen verglichen habe. Und dass der Reichsführer SS, Heinrich Himmler<br />

(*1900+1945; hauptverantwortlich für Holocaust an europäischen Juden, Sinti und Roma) ihm,<br />

dem Freiherrn von Fircks, in Anerkennung seiner Verdienste den Rang eines SS-<br />

Obersturmbandführers verliehen hatte. Das vier eng beschriebene Schreibmaschinenseiten<br />

umfassende Flugblatt berichtete zudem detailliert darüber, was dam<strong>als</strong> sonst noch so alles in Polen<br />

geschah. Zitat: "Fast in allen größeren Orten fanden durch die erwähnen Organisationen (SS und<br />

Polizei) öffentliche Erschießungen statt. Die Auswahl war dabei völlig verschieden und oft<br />

unverständlich, die Ausführung vielfach unwürdig. Verhaftungen waren fast immer von<br />

Plünderungen begleitet".<br />

Auf dem Handzettel stand auch vermerkt: "Durch die Tätigkeit der SS-Einsatzgruppen<br />

waren bis zum Februar 1940 schon etwa 300.000 Polen "umgesiedelt" worden. Allein aus dem<br />

Warthegau wurden 120.000 polnische Landbesitzer deportiert. Auf ihre verlassenen Höfe wurden<br />

u.a. auch die bäuerlichen Landleute des Freiherrn von Fircks delegiert. In den Statistiken der SS<br />

stieg die Zahl der liquidierten oder - wie es hieß - der "sonderbehandelten" Polen und Juden auf<br />

"einige Zehntausend". Bei der "außerordentlichen Befriedungsaktionen" im Frühjahr 1940 wurden<br />

3.500 Polen reihenweise umgebracht.<br />

Zur Erinnerung, wider das Vergessen. - Mit vorbereiteten Listen trieben die SS-Häscher<br />

polnische Lehrer, Ärzte, Beamte, Geistliche, Gutsbesitzer und Kaufleute in die Umsiedlungs- oder<br />

Auffanglager, die sich nicht selten <strong>als</strong> Liquidierungsstätten erwiesen. Die "rassisch Wertvollen"<br />

wurden herausgesucht, die polnische Elite wurde vernichtet. Der Rest sollte verkümmern und <strong>als</strong><br />

Arbeitsvolk den Deutschen dienen. Der polnischen Jugend wurde beigebracht, dass es ein Gebot<br />

Gottes sei, den Deutschen gehorsam zu sein, ehrlich, fleißig und brav.<br />

Arthur Sahm warf dem CDU-Bundestagskandidaten von Fircks letztendlich vor, "sich an<br />

den nazistischen Untaten wegen der Besetzung Polens" beteiligt zu haben. Das Amtsgericht<br />

Burgdorf hatte den Lehrer in erster Instanz freigesprochen; doch Otto Freiherr von Fircks ging in<br />

die Berufung. Er wollte es nicht auf sich sitzen lassen, dass er sich 1940 <strong>als</strong> Leiter eines SS-<br />

Einsatzstabes im Landkreis Gnesen an von Hitler befohlenen Verbrechen in Polen beteiligt, in<br />

Nacht-und-Nebel-Aktionen polnische Bauern vertriebe habe, um deutschen Siedlern Platz zu<br />

machen - zu guter Letzt die Polen gar mit "Wanzen" verglichen habe.<br />

Das Amtsgericht in Burgdorf war nach siebenstündiger Verhandlung im Mai 1971 zu dem<br />

Schluss gekommen, dass die Vorwürfe Sahms "im Kern wahr" seien. Ein Urteil, das der CDU-<br />

Politiker nicht hinnehmen wollte. Berufung. So saßen sich nunmehr der linke Volksschullehrer<br />

Arthur Kahm und Freiherr Otto von Fircks (in der Rolle des Nebenklägers) erneut gegenüber.<br />

Doch diese sonderbare Rollenverteilung wurde zu keiner Minute dem tatsächlichen Prozess-Ablauf<br />

gerecht. Die "Braunschweiger Zeitung" beobachtete richterliche Berührungsphobien der Herren in<br />

schwarzer Robe, wenn es um die unerlässliche Aufarbeitung deutscher Vergangenheit geht. Sie<br />

kommentierte: "In diesem Prozess ist alles ganz anders. Der Angeklagte (Arthur Sahm) ist in<br />

Wahrheit der Angreifer, und der Nebenkläger (Freiherr von Fircks) muss sich verteidigen. Der<br />

gerichtliche Verteidiger Heinrich Hannover aus Bremen wirkt mit der Technik eines Staatsanwalts,<br />

während der Anklage-Vertreter gewissermaßen in der neutralen Ecke steht. Die Vertreter der<br />

Nebenkläger möchten diesen gern in eben dieser Ecke haben und versuchen, aus Formalität<br />

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