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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Transparenten stand geschrieben: "Schlechte Moral, schlechte Arbeitsbedingungen, schlechte<br />

Bezahlung - wir haben es satt" (Pas le moral, de mauvaises conditions de travail, mal payés; on en a<br />

marre). Tatsächlich steigen in kaum einem anderen Beruf so viele junge Männer und Frauen bereits<br />

während der Ausbildung wieder aus, drücken Krankheit, Tod und vorzeitige Aufgabe das<br />

"durchschnittliche Dienstaustrittsalter" auf knapp 55 Jahre. In kaum einem anderen Beruf lassen<br />

sich die Menschen so häufig von ihrem Ehepartner scheiden. Kein anderer Beruf hat ein so<br />

negatives Image wie der der "flics" (Polizei).<br />

Da prügeln in den Kommissariaten um Marseille Beamte Nordafrikaner schon mal<br />

krankenhausreif. Da verabreden sich Polizeioffiziere zu bewaffneten Raubzügen in der Innenstadt<br />

von Lyon. Da vergewaltigen Staatsbeamte Frauen sozusagen bei Verhören auf ihren Dienststellen<br />

in Paris oder Toulouse. Das sind gerichtskundige Alltagsschilderungen illegaler Polizeigewalt im<br />

Nachbarland Frankreich Mitte der neunziger Jahre.<br />

Zudem - in keinem anderen Beruf gibt es eine derartige Selbstmordgefährdung wie in dem<br />

des französischen Gendarmen. Laut offizieller Statistik des Waisenamtes der Polizei tötet sich in<br />

Frankreich alle neun Tage ein Uniformierter von eigener Hand. Neunzig Prozent der Beamten<br />

benutzten zum Selbstmord ihre Dienstpistole der Marke Nanurhin. Auffallend ist, dass es fast<br />

ausschließlich Männer sind, die den Freitod wählen.<br />

Die Pariser Soziologin Frédérique Mezza-Bellet nennt in einer internen<br />

Suiziduntersuchung für das Innenministerium drei Gründe, warum immer mehr Polizisten<br />

Selbstmord begehen. Sie schreibt: "Die Arbeitsbedingungen sind dürftig. Sie ermöglichen kein<br />

stabiles Familienleben mehr. Aus der hohe Scheidungsquote resultieren extreme Überschuldungen.<br />

Vornehmlich bei Männern sind geistige Verschleißerscheinungen zu konstatieren, die zum finalen<br />

Todesschuss gegen sich selbst führen. Ständig dasselbe Elend oder dieselben tristen Zustände vor<br />

Augen zu haben, einen Alltag zwischen schnell wechselnder Angst und Routine, Gefahr und<br />

Langeweile zu erleben - das greift letztendlich die psychische Konstitution an, schiebt gefühlsarme<br />

Reaktionen oder auch Selbstwerterlebnisse beiseite. In Wirklichkeit kann die Erinnerung an den<br />

mitverursachten gewaltsamen Tod eines Bürgers nur halbwegs unterdrückt, tatsächlich aber nie<br />

vergessen werden."<br />

Dabei sind Frankreichs Politiker in ihrer Selbstdarstellung prestigebewusst darauf bedacht,<br />

die innere Sicherheit zu einem prosperierenden Eckpfeiler französischer Politik ausgebaut zu<br />

haben. Tatsächlich verfügt die französische Republik pro Einwohner über die meisten<br />

Sicherheitskräfte in Europa. Die "Police National" kann auf 126.163 Beamter, die dem<br />

Verteidigungsministerium unterstehen, "Gendarmerie National" auf 80.000 Polizisten<br />

zurückgreifen. Hinzu kommen nach weitere 80.000 Hilfssheriffs privater Sicherheits-dienste. Allein<br />

in der Hauptstadt Paris sind ständig 20.000 Polizeibeamte im Einsatz. Und für besondere delikate<br />

Konflikte - Raub, Geiselnahme, Bombenanschläge, Demonstrationen - stehen die 16.000 auf<br />

Straßenkampf trainierten Polizisten der "Compagnies républicaines de sécurité" (CRS) in über<br />

sechzig Einheiten - übers Land verteilt - bereit.<br />

Für die Verbrechensbekämpfung vor Ort sowie für die Ausstattung der Polizei gibt der<br />

Staat von 1995 bis 1999 insgesamt etwa 3,05 Milliarden Euro aus. Mit weiteren 380.000 Euro sollen<br />

zudem viertausend neue Hilfspolizisten bezahlt werden.<br />

Nur Frauen <strong>als</strong> Polizistinnen, noch dazu in Führungsetagen - die waren in Frankreich bis<br />

1975 gar nicht vorgesehen. Bestätigte doch eine eigens in Auftrag gegebene Untersuchung der<br />

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