07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ideologen, dass sich „die sozialliberale Koalition bis auf die Knochen blamiere“. Was den SPD-<br />

Politiker Herbert Wehner (*1906+1990) angelangt, so nennt ihn sein Bundestags-Kollege schlicht<br />

“hirnrissig“. – Aus deutschen Landen frisch auf den Kabinettstisch.<br />

So aufbrausend geht es zu, wenn „Willem“, wie er von Freunden gehätschelt wird, mal in<br />

Bonn und anderswo kurz dazwischentritt. Verständlich, dass er sodann die ganze Bundesrepublik<br />

<strong>als</strong> ein „Trauerspiel“ begreift. Er sei ja nach Bonn gekommen, um mitzudenken, mitzumachen,<br />

politische Gedanken in die Tat umzusetzen. Anträge habe er geschrieben. Sie landeten über kurz<br />

oder lang in Papierkörben. Immer wieder habe er sich zu Wort gemeldet, Diskussionsbeiträge zu<br />

diesem oder jenem Fragenkomplex hinzugefügt. Im Grunde habe er seine Aufgabe <strong>als</strong><br />

Parlamentarier viel zu ernst, viel zu wörtlich genommen. – Wilhelm Helms: „Ein mildes Lächeln<br />

war oft die Reaktion. Dieses Grinsen ist es ja, was mich zur Weißglut treibt.“<br />

Als sich am Rande einer Tagung in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach<br />

FDP-Politiker über die personelle Zusammensetzung der Landeslisten für die Bundestagswahl<br />

1973 unterhielten, tauchte der Name Wilhelm Helms nirgendwo mehr auf. – Kurzum aussortiert.<br />

Helms drohte intern erregt. „Irgendwann mache ich mal was, dann komme ich ganz groß raus.“<br />

Schließlich sei er über Jahrzehnte in seiner Grafschaft eine „überragende politische Persönlichkeit“<br />

gewesen – und dann solch ein jämmerlicher Abgesang in Bonn? Verärgert, verletzt, verstört zog<br />

Wilhelm Helms seine Konsequenzen, weil er doch weiter in der Bundesrepublik Deutschland<br />

„mitmischen“ will. Nun zieht es ihn zur Christlichen Union. Daraus macht er keinen Hehl mehr.<br />

Einmal von Rainer Barzel (*1924+2006), dem allgegenwärtigen Fraktionschef, empfangen<br />

zu werden – „das wäre schon eine Sache“, mutmaßt er. Auf künftige Abstimmungen im Bundestag<br />

eingehend, konstatiert er: „Wenn ich nicht gegen den Kanzler Brandt stimme, verlasse ich einen<br />

Teil meiner politischen Position.“ Vabanque-Spiel.<br />

Der „Landwirt zu Bissenhausen“ machte in diesen politisch angespannten Tagen nach<br />

dem Text eines Protestliedes von sich reden: „Irgendwas mach‘ ich mal, dann komme ich ganz<br />

groß heraus.“ Doch nach dem 4. Mai 1972 wird man nicht einmal mehr im Foyer oder in der Bar<br />

des Bundestages über den Politiker Wilhelm Helms ein Wort verlieren. Vor der Diskussion um die<br />

Ostverträge und seinen spektakulären Austritt aus der FDP was das ja auch nicht der Fall.<br />

Postscriptum . – Willy Brandt siegt über Wilhelm Helms – 18 Jahre nach dem<br />

gescheiterten Misstrauensvotum hat der damalige SPD-Kanzler Willy Brandt einen späten Sieg über<br />

den Ex-FDP-Abgeordneten Wilhelm Helms errungen. Helms, Landwirt in Bissenhausen, hatte sich<br />

vor dem Münchner Landgericht gegen eine Passage in Brands Memoiren gewehrt, wonach der<br />

Liberale dem sozialliberalen Kanzler im Vieraugengespräch „mit Tränen in den Augen“ gestanden<br />

habe, er werde „wegen des Hofes“ mit der CDU-Opposition gegen Brandt stimmen. Auch das<br />

Münchner Oberlandesgericht (OLG) gab jetzt dem SPD-Ehrenvorsitzenden recht. Brandt habe<br />

„glaubhaft gemacht“, dass seine Schilderung zutreffend sei, nicht jedoch die Darlegung von Helms.<br />

Die Richter zeigten sich besonders von Aussagen des damaligen FDP-Chefs Walter Scheel und des<br />

FDP-Abgeordneten Kurt Spitzmüller sowie der Sozialdemokraten Egon Bahr und Karl Wienand<br />

beeindruckt. Dazu gehörter Bericht, Helms habe „finanzielle Probleme mit seinem Hof“ gehabt.<br />

Eine von Helms vorgelegte Bankbestätigung habe dagegen „keine näheren Daten zur<br />

wirtschaftlichen Situation im Jahre 1972“ erbracht. Auch sei, so das OLG, nach dem versuchten<br />

Sturz einer Regierung das „zeitgeschichtliche Interesse der Allgemeinheit“ an der Information<br />

höher zu bewerten <strong>als</strong> „das persönliche Integritätsinteresse“ eines einzelnen.<br />

Quelle: Spiegel vom 06.08.1990 – 32/90.<br />

51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!