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protestierte, dass zwei Frauen seiner Gemeinde gefoltert worden waren. Immerhin: Der Gendarm,<br />

der ihn einfach mit der Pistole umgelegt hatte, wurde verhaftet. Dieser Mord war zu plump.<br />

Die meisten Morde oder Anschläge aber bleiben ungesühnt. Sie werden ausgeführt von<br />

Kommandos der "Antikommunistischen Allianz Brasiliens" -der AAB, die sich auch zu dem<br />

Attentat auf Dom Adriano bekannt hat. Niemand weiß genau, wer hinter dieser Organisation<br />

steckt, jeder kennt nur ihre Untaten: Todesschwadronen, zusammengewürfelt aus Soldaten und<br />

Polizisten , morden, plündern und brandschatzen im Namen der AAB. Es gibt zahlreiche Belege,<br />

dass die AAB und das in Brasilien allmächtige Militär zusammenarbeiten.<br />

Die ersten Todesschwadronen waren vor 20 Jahren aufgetaucht. Ihre Opfer waren<br />

zunächst hauptsächlich kriminell. Als Chef einer dieser "Esquadraos Da Morta" wurde ein<br />

Kriminalrat aus Sao Paulo, Sergio Fleury, vor Gericht gestellt. Obwohl es eindeutige Beweise gab -<br />

Mönche hatten Fleury und seine Todesschwadronen bei der "Arbeit" fotografiert - ging der Kripo-<br />

Boss straffrei aus. Sein Kommentar zu dem Foto: "Hier gibt es tatsächlich einen Hurensohn, der<br />

verdammte Ähnlichkeit mit mir hat."<br />

Seit etwa zehn Jahren richtet sich die Lynchjustiz der Freizeit-Mörder immer mehr gegen<br />

politisch Unliebsame. Die regierenden Militärs betrachteten diese "Aufgabenerweiterung" mit<br />

Wohlwollen, die Todesschwadronen nahmen ihnen in den Jahren bis 1972 im Kampf gegen die<br />

Stadtguerillas viel Arbeit ab.<br />

Gleichzeitig führten die Militärs ein Possenspiel auf, um "Rechtsstaatlichkeit" zu<br />

demonstrieren. Sie beauftragten einen Rechtsanwalt in Sao Paulo, eine Dokumentation über die<br />

Todesschwadronen auszuarbeiten. Er bekam mehr heraus, <strong>als</strong> seinen scheinheiligen Auftraggebern<br />

recht war: Staatsanwalt Helio Pereira Bicudo, ein liberaler Mann und unerschrockener<br />

Regimekritiker, ist inzwischen Bestseller-Autor. Seine Dokumentation hat die vierte Auflage<br />

erreicht.<br />

Dabei hatte es Bicudo zunächst schwer, einen Verleger zu finden. Denn die von ihm<br />

zusammengetragenen Dokumente bewiesen eindeutig, dass die Todesschwadronen mit Billigung<br />

der regierenden Militärs agieren. Erst die katholische Kirche von Sao Paulo wagte es, Bicudos Buch<br />

herauszugeben. Der Autor ist seither selbst Adressat von Drohbriefen der AAB. Über deren<br />

Zielgruppe sagt Bicudo: "Jeder, der Kritik äußert, ist für sie ein Kommunist." Die Gefangenen-<br />

Hilfsorganisation amnesty international verbuchte in den letzten zehn Jahren 3.000 Folterungen<br />

und Ermordungen auf das Konto der Todesschwadronen.<br />

Hinter der lebenslustigen Fassade von Zuckerhut, Copacabana-Strand und Samba-Shows<br />

hat sich in Brasilien eines der heimtückischsten Regime dieser Welt etabliert. Im Jahre 1964 hatten<br />

die Offiziere nach einem Putsch die Macht hin dem von Streiks und sozialen Unruhen<br />

erschütterten Land übernommen. Aus der einstigen Demokratie, flächenmäßig das fünftgrößte<br />

Land der Welt, wurde nun der Schrittmacher für die vornehmlich in den siebziger Jahren fast<br />

überall in Südamerika regierenden Militärs, in dem es mehr Gefängnisse <strong>als</strong> Spitäler gibt.<br />

Um sich von der Weltöffentlichkeit einen demokratischen Anstrich zu geben, schuf die<br />

Armee ein künstliches Parteiensystem. Fortan gab es <strong>als</strong> Regierungspartei die "Alianca Renovadora<br />

Nacional" (ARENA), ein williger Erfüllungsgehilfe des Gener<strong>als</strong>tabs. Die Rolle der Opposition<br />

sollte die "Movimento Democrático Brasileiro (MDB) spielen. Allerdings, die MDB hielt sich nicht<br />

an ihre Auflage, keine Wahlen zu gewinnen und immer in der Minderheit zu bleiben. Da mussten<br />

die amtierenden Generale nachhelfen. Beispiel: Als im Jahre 1974 die MDB bei den Senats- und<br />

Parlamentswahlen eine große Mehrheit bekam, schickte der Gener<strong>als</strong>-Präsident Ernesto Geisel<br />

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