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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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verbraucht. richtig ausgelutscht, die sind null und haben für den Zuhälter keinen Gebrauchswert<br />

mehr. Allein dadurch, dass sie forciert worden sind, diesen Job zu machen, quasi von der<br />

Schulbank runter. Denn viele wollen lieber etwas Junges <strong>als</strong> was Älteres. Wer zwei oder drei Jahre<br />

auf dem Babystrich war", glaubt Ulli "der hat keinen Willen mehr. Der verschwindet in einem der<br />

üblichen Bordelle oder kippt nach Marokko in Alis Bettenlager runter."<br />

In der Puff-Gegend von Köln, da sind sie mal mit Robbi einige Wochen regelmäßig<br />

hingefahren. Da haben Robbi , Andy den Larry gespielt und so getan, <strong>als</strong> seien sie die Jung-<br />

Zuhälter aus der Provinz. Verhandelt haben sie auch, in einer Kaschemme am Billardtisch, beim<br />

Kugelstoßen und Picolotrinken. Der eine Lude, so um die 25 muss er gewesen sein, stellte sich <strong>als</strong><br />

Migo vor und hatte offenkundiges Interesse. Nachschub aus den Dörfern und Kleinstädten zu<br />

bekommen. Robbi trat in solchen nicht ungefährlichen Gesprächen immer am abgeklärtesten auf,<br />

so <strong>als</strong> habe er in seiner Region vierzehn Vierzehnjährige laufen, von denen er <strong>als</strong>bald drei "in<br />

Pension" schicken müsse. Erst <strong>als</strong> der Migo "Ware für die Beschauung und Besamung" sehen<br />

wollte, mied die Clique das Puff-Revier zu Köln - Todestypen nannten sich Robbi und Co. zu jener<br />

Zeit.<br />

Aber all das ist inzwischen für Ulli Vergangenheit. "Ich führte ein schizophrenes Leben.<br />

Ich suchte Action, dann bastelte ich wieder an meiner Elektronik, und in Wirklichkeit brauchte ich<br />

jemanden, mit dem ich mich richtig unterhalten konnte." Pendelschläge von einem extremen Punkt<br />

zum anderen. Früher gab ihm die "Action-Macker-Phase" Halt, heute ist es Anna. Nach<br />

zweijähriger Freundschaft spricht Ulli schon von einer "praktischen Ehe, die wir führen". Anna ist<br />

für ihn zum Programm geworden. Kaum ein Satz, den er ausspricht, in dem Anna nicht vorkäme.<br />

Dabei beurteilen beide ihre Zukunft so ziemlich konträr.<br />

Anna ist davon überzeugt, dass es in der Bundesrepublik im nächsten Jahrzehnt zum<br />

"großen Knall" kommt. "Es flippen immer mehr Menschen aus -und nicht nur Jugendliche. Ich<br />

frag mich manchmal, was für wen eigentlich da ist. Sind die Maschinen, Computer für uns da,<br />

damit unser Leben leichter wird, oder sind wir nur noch da, dass die Maschinen laufen, Profite um<br />

Profite? Aber die werden auch noch Kühlschränke zu den Eskimos transportieren." Weil alles so<br />

ungewiss ist, will Anna auch keine Kinder haben; selbst von Ulli nicht, der das gerne möchte. Er<br />

sagt dann meistens: "Zum großen Knall kann es schon allein deshalb nicht kommen, weil alle dazu<br />

erzogen worden sind, gar keinen großen Knall zu machen."<br />

Ulli und Anna schimpfen nicht auf die Gesellschaft, auf Parteien oder Verbände.Die sind<br />

ihnen fast gleichgültig. Sie äußern lediglich Empfindungen. Es ist so schwer, überhaupt einen Sinn<br />

in dem Ganzen zu sehen. Und sie beruhigen sich mit der Feststellung: "Irgendeinen Sinn wird das<br />

doch alles schon haben."<br />

Vielleicht wird Ulli mal ein guter Taxifahrer oder auch ein Akkordfritze am Fließband,<br />

vielleicht wird er es schaffen, <strong>als</strong> Geographie-Lehrer vor einer Klasse zu stehen, was sein Berufsziel<br />

ist. Er weiß es nicht, denn seine Schulnoten sind zu schlecht, und genügend Lehrer gibt es allemal.<br />

So schiebt Ulli mit seiner Anna die Ungewissheit vor sich her. Am liebsten verkriechen sich die<br />

beiden unter der Bettdecke und schmusen, laufen durch die Wälder, schauen Filme oder versinken<br />

in Büchern. Ungeachtet, was auf sie noch zurollt, an einem wollen Ulli und Anna bedingungslos<br />

festhalten - an ihrer Heirat: "Aber erst muss Anna noch ihr Abi machen, und bis dahin vergeht<br />

noch ein ganzes Jahr."<br />

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