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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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fließen aus Eigensubventionen wie etwa abgezwackten Privateinkommen, Solidaritätsspenden,<br />

Fördervereinen und so weiter.<br />

Folglich sind alternative Betriebe gegenwärtig auch kaum imstande, ihre Leute zu<br />

ernähren. In der Hälfte der Projekte beziehen alle Mitarbeiter ihre Überlebensgelder von<br />

Ehepartnern, Eltern, Freunden, oder sie kassieren Sozialleistungen wie BAföG, Wohn-,<br />

Arbeitslosen- und Sozialhilfe - im modernen Hochdeutsch Hartz IV genannt. Weitere 30 Prozent<br />

der Unternehmen können nur einem Teil ihrer Mitglieder ein kleines Salär auszahlen. Lediglich 20<br />

Prozent der alternativen Projekte erwirtschaften für alle Mitarbeiter ein regelmäßig abrufbares<br />

Gehalt: Monatliche Vergütungen, die sich zwischen 500 und 1.000 Mark, in den seltensten Fällen<br />

um die 1.500 Mark bewegen. Und die auch oft nur deshalb diese Größenordnung erreichen, weil<br />

Steuern, Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge erst gar nicht abgeführt werden.<br />

Im Herbst 1978 gründeten Alternativen und ihre Sympathisanten in Berlin das "Netzwerk<br />

Selbsthilfe e. V." In der Praxis bewährt sich dieser eingetragene Verein <strong>als</strong> eine Bank ohne Zinsen.<br />

Er vergibt nach Maßgabe seines Kreditausschusses Darlehen und Zuschüsse an unterkapitalisierte<br />

Projekte, "die<br />

• demokratische Selbstverwaltung praktizieren<br />

• nicht auf indiviuellen Profit ausgerichtet sind;<br />

• modellhaft alternatives Lebens- und Arbeitsformen erproben beziehungsweise<br />

emanzipatorischen oder aufklärerischen Charakter haben;<br />

• mit ähnlichen Projekten kooperieren statt konkurrieren;<br />

• personell und organisatorisch Kontinuität und längerfristig wirtschaftliche<br />

Tragfähigkeit gewährleisten".<br />

Mitglied des Netzwerkes kann jeder werden, der bereit ist, monatlich einen Spendenbetrag<br />

zu zeichnen. Ihr Erkennungszeichen, ein rasendes Sparschwein, hat auf diese Weise schon über<br />

vier Millionen Mark verschluckt und in mehr <strong>als</strong> 100 Alternativ-Betrieben bundesweit wieder<br />

ausgespuckt. Ob beim unabhängigen Jugendzentrum in Hannover, im Bremer Frauenhaus, bei der<br />

Frankfurter Arbeiterselbsthilfe oder in der Berliner "Fabrik für Kultur, Sport und Handwerk" - die<br />

Bank ohne Zinsen planiert für die oft idealistischen Lebensziele zumindest ein Stück es Weges und<br />

sorgt dafür, dass sich Alternative nicht nur um sich selbst, sondern auch um Ausländer und<br />

Behinderte, Drogenabhängige und Trebegänger kümmern können.<br />

Dass in der Bundesrepublik innerhalb eines knappen Jahrzehnts eine im wahrsten Sinne<br />

des Wortes alternative Wirtschaft entstand und dass diese Gruppierung, die wegen ihrer<br />

vielschichtigen Struktur wohl besser <strong>als</strong> "Szene" bezeichnet wird, immer noch wächst, bringt nicht<br />

zuletzt mit Krise des Wirtschafts-Wachstums zusammen. Denn die Grenzen des wirtschaftlichen<br />

Wachstums sind zugleich Grenzen des Sozi<strong>als</strong>taats. Der vor allem in den siebziger Jahren<br />

vertretene Staatsanspruch, für den Bürger alles regeln und lenken zu wollen, wird künftig schon aus<br />

finanziellen Gründen nicht mehr einzulösen sein. Die atemberaubenden technologischen<br />

Innovationsschübe, auf den Weltmärkten, insbesondere in den Bereiche Mikroelektronik und<br />

Informationstechnologie, drücken in diesem Jahrzehnt den Arbeitsfaktor Mensch immer stetiger<br />

und unausweichlicher aus dem Wettbewerb heraus.<br />

Dem technischen Wandel und der damit verbundenen Rationalisierung fielen schon<br />

Anfang der siebziger Jahre jährlich drei Prozent aller Arbeitsplätze zum Opfer. Vertrauliche<br />

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