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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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die in ihrer Studentenzeit nur Papier gewesen waren, von den Grünen in Angriff genommen<br />

wurden: angefangen bei der Rotation der Mandate, über die Offenheit der Partei- und<br />

Fraktionssitzungen bis hin zur Frauenparität.<br />

Dam<strong>als</strong>, in den APO-Jahren, war die Herausbildung politischer Machtzentren detailliert<br />

reflektiert worden. Und nun sollten es die Grünen sein, die <strong>als</strong> Erste die Rotation in den führenden<br />

Ämtern der Partei beschlossen und auch weitestgehend befolgten. Oder: Die Ursachen der<br />

Unterdrückung der Frau waren in der deutschen Linken seit August Bebel (*1840+1913) und Clara<br />

Zetkin (*1857+1933) aufgearbeitet worden. Aber es blieb wiederum den Grünen vorbehalten,<br />

ihren meisten Landesverbänden die Frauen-Parität <strong>als</strong> Ziel vorzugeben.<br />

Für Antje Vollmer bedeuteten diese aufsehenerregenden Ansätze der Grünen so etwas<br />

wie "Edelsteine", deren weitreichender Wert noch nicht allen klar war. Schon die Rotationsregelung<br />

hieß im Kern, dass die Grünen den konventionellen Abgeordnetenstatus nicht anerkannten. Sie<br />

war eine Attacke gegen das Berufspolitikertum, da die Grünen Politiker und Politikerinnen in ihren<br />

Reihen für ersetzbar erklärten. Sie war eine Kampfansage gegen die ausufernde politische Macht,<br />

die mit der parlamentarischen Routine verbunden ist. Für Antje Vollmer war klar, dass damit<br />

Spontaneität, Basisverbundenheit und die Herkunft aus dem Berufsalltag für die Durchsetzung von<br />

Zielen fruchtbar gemacht wurden und aus der Eindimensionalität von Langzeit-Politikern ein<br />

konstruktiver, zukunftsweisender Weg gefunden wurde. Es war für sie eine spannende Erfahrung<br />

zu sehen, wie die Grünen Probleme auf neue Weise anpackten.<br />

Antje Vollmer verließ ihre Rolle <strong>als</strong> stille Beobachterin und wurde, nachdem sie aus<br />

Rotationsgründen im April 1985 ihr Bundestagsmandat niedergelegt hatte, ordentliches<br />

Parteimitglied. In dieser Parlamentspause fand sie Zeit, über eine sie bedrängende Frage<br />

gründlicher nachzudenken: Gibt es noch Frauen-Utopien? Was treibt die Frauen an, über ihre<br />

Tagtraumfetzen hinauszugehen? Begeben sie sich auf die Schiffe (Ernst Bloch *1885+1977), um<br />

neues Land, einen neuen Kontinent zu entdecken?<br />

Antje Vollmer, die ihre Gedanken ungern im Kämmerlein verstauben lässt, sondern sie<br />

lieber <strong>als</strong> Provokation in die Welt schickt, gab ein Buch heraus mit dem märchenhaften Titel "Kein<br />

Wunderland für Alice?". Dort veröffentlichte sie einen ihrer liebsten Aufsätze, dessen zentrale<br />

Botschaft lautet: "Es ist nicht nur der Mangel an utopischen Leitbildern von Frauen an der Front<br />

des Neuen, der Frauen gelähmt hat, ihre eigene Zukunft zu entwerfen. Es war auch nicht nur die<br />

gewisse Aussicht auf das Schafott und die sichere eigene Niederlage, die sie zurückhielt. Es war<br />

auch nicht nur der klassische enge Zuschnitt ihres Lebens und die mangelnde Teilnahme an der<br />

gesellschaftlichen Produktion und dem öffentlichen Leben, der sie auf Dauer hatte zurückzerren<br />

können von dem, das unaufhaltsam vorwärtsdrängt. Es ist die ewige immer gleiche, nie endende,<br />

Kräfte auszehrende Sisyphus-Arbeit, Hoffnungen zu Grabe tragen zu müssen. Niederlagen <strong>als</strong><br />

Geschlagene zu überleben und die Verdammung zur Passivität in allen großen gesellschaftlichen<br />

Konflikten ...<br />

Für die Mehrzahl der Frauen gilt, dass alle großen Ereignisse - selbst die mit glückhaftem<br />

Ausgang - auf sie zuallererst ihre Schatten werfen. Diese Schatten haben das Gewicht von Fesseln,<br />

wie kein Mann sie trägt. Sie zu sprengen bedeutet eine unmenschliche Kraftanstrengung. Der Weg<br />

von Frauen - trotz dieses Wissens - in die erste Reihe der großen Menschheitsutopien ist länger, da<br />

sie viel mehr hinter sich und außer acht lassen müssen. Deswegen ist er auch radikaler. Einmal<br />

vorne angekommen, führt selten ein Weg zurück." Wenn Antje Vollmer schreibt, dann meint sie<br />

es ernst. Sie gehört zu jenen Frauen, die nach vorne stürmen - an die Front des Neuen. Ernst<br />

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