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FOLTER IN DIESER WELT - JEDER KANN DER NÄCHSTE<br />

SEIN :<br />

"Wer gefoltert wurde, kann in dieser Welt nicht mehr heimisch werden"<br />

Jean Améry, österreichischer Schriftsteller (*1912+1978)<br />

stern, Hamburg 8. Juni 1977<br />

Folter ist für den österreichischen Schriftsteller Jean Améry "das fürchterlichste Ereignis,<br />

das im Gedächtnis eines Menschen zurückbleibt", für den französischen Philosophen Jean-Paul<br />

Sartre (*1905+1980) "der Striptease des Humanismus". Und für den deutschen Bundesminister<br />

Hans Matthöfer ( 1974-1982) sind "die Machthaber, die Menschen foltern lassen, ehrlose Lumpen,<br />

schmutzig bis in den letzten Winkel ihrer verrotteten und verlausten Seelen."<br />

Wäre Matthöfers Ansicht für die praktische Politik der sozial-liberalen Koalition in Bonn<br />

(1969-1982) maßgeblich, müsste die Bundesregierung zu mindestens 60 Staaten ihre<br />

diplomatischen Beziehungen abbrechen. Fakten der UNO-Menschenrechtskommission und der<br />

weltweiten Gefangenen-Hilfsorganisation amnesty international belegen, dass in 60 Ländern der<br />

Welt die Folter zum Strafvollzug gehört.<br />

Nicht nur in Polizeistationen, Kasernen, Krankenhäusern und Gefängnissen auch in<br />

Prunkvillen einiger Staatspräsidenten überbieten sich Verhörer und Folterer gegenseitig, wehrlose<br />

Opfer Schmerzen zuzufügen. So in der Residenz des Diktators von Nicaragua, General Anastasio<br />

Somoza Debayle (*1925+1980).<br />

Noch nie mussten so viele Menschen Torturen ertragen wie in der zweiten Hälfte des 20.<br />

Jahrhunderts. Noch nie wurde die Folter zur Durchsetzung tagespolitischer Interessen der<br />

jeweiligen Machthaber so brutal eingesetzt wie in unserer Zeit.<br />

Folter bleibt keinem Zufall überlassen, sie hat System. Die Schreckensvision, man könnte<br />

der Nächste sein, ist ein innenpolitischer Ordnungsmechanismus, der in diktatorischen Ländern die<br />

rechtlose Bevölkerung nach Belieben willfährig macht und jedwede öffentliche Kritik - sei es nur an<br />

sozialen Missständen - im Keim erstickt. Die Anleitung zur Menschenhatz lieferte der französische<br />

Militärhistoriker Roger Trinquier (*1908+1986) schon im Jahre 1961, <strong>als</strong> er die Folter in das System<br />

der modernen Kriegsführung einbezog: "Der Terrorist muss begreifen, dass er, wenn er gefangen<br />

genommen wird, nicht wie ein gewöhnlicher Verbrecher behandelt werden kann, noch wie ein<br />

Gefangener auf dem Schlachtfeld ..."<br />

Folter hat sich zu einer weltweiten "Subkultur des Terrors" entwickelt, wie das<br />

amerikanische Nachrichtenmagazin "Time" schreibt, mit eigener Sprache, mit eigenen Ritualen, mit<br />

eigenen spiritistischen Sitzungen. So müssen die Geschundenen im persischen "Komitee-<br />

Gefängnis" genau wie im Verhörzentrum der II. brasilianischen in Sao Paulo und in Chiles<br />

berüchtigter "Villa Grimaldi", die im Zentrum der Hauptstadt Santiago liegt, ihre Peiniger mit dem<br />

Titel "Doktor" ansprechen. Aus Hauptmann Orlando Manso Duràn (Chile), genannt "Paleface"<br />

(Bleichgesicht), wird Dr. Duràn. Aus dem Kriminalrat Sergio Fleury, Verbindungsmann zwischen<br />

dem brasilianischen Geheimdienst und den illegalen Todesschwadronen, die Oppositionelle<br />

verschleppen und töten, wird Dottore Fleury. Selbst die größte Zeitung des Landes, der "Estado<br />

Sao Paulo", tituliert ihn so vorsichtshalber voller Respekt. In den Folterräumen der II.<br />

Brasilianischen Armee in Sao Paulo versucht man, Regimekritiker unter Todesqualen den<br />

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