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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Dauerlächelns. Langsam zieht Geißler sein Mundwinkel hoch, langsam rasten seine Lachfalten auf<br />

dem gen-wünschten Charmepegeln ein. Im Zeitlupentempo dreht er seine Mimik behutsam zurück.<br />

Ein Ausbund von Freundlichkeit, ein Vorbild möchte er in seiner Wunschvorstellung abgeben,<br />

Identifikationen glaubt er so auf sich zu vereinen.<br />

Diese kraftzehrende, nach außen gerichtete Theatralik begräbt individuelle Bedürftigkeit,<br />

persönliche Konturen zerfließen allmählich ins Unkenntliche. Das Magnetfeld allgegenwärtiger<br />

Sachlogik und politischer Zweckmäßigkeit geht einher mit der Abstraktion des Ichs.<br />

Unaufgefordert, beinahe beflissen unterdrückt da ein jeder seine persönliche menschliche<br />

Anteilnahme: elementare Lebensgefühle verdorren.<br />

Auf dem Sportplatz Gronau am Rhein im Bonner Regierungsviertel gleich neben dem<br />

Abgeordneten-Hochhaus Langer Eugen wartet im Dunkel ein Bundeswehr-Hubschrauber auf<br />

seinen Passagier. Von hier ist das Bundeshaus kaum mehr <strong>als</strong> einen Steinwurf entfernt, das<br />

Kanzleramt liegt unmittelbar dahinter. Es ist ein grauslig-diesiger, nasskalter Dezember-Abend.<br />

Böige Winde und anhaltende Regenfälle haben schon einige Tage zuvor den Rhein über die Ufer<br />

getrieben, die Promenade weitflächig überspült, die Bänke aus ihren Halterungen fortgerissen,<br />

Treibgut klatscht ans Gemäuer der Uferstraße. Auch der Fußballplatz, auf dem in freundlicher<br />

Jahreszeit Ex-Nation<strong>als</strong>pieler Wolfgang Overrath Bierrunden Parlamentariern das Ballkullern lehrt,<br />

suppt unter lehmig aufgewühltem Wasser.<br />

Nicht weit vom Anstoßpunkt steht der Helikopter. Die Piloten vom BMVg, wie das<br />

Bundesministerium für Verteidigung im Kürzel heißt, warten gelangweilt , Frau Dorothea Göbel,<br />

Geißlers treu ergebene Assistentin, bibbert dem Abflug entgegen. Die "Bundeswehr-Männer", sagt<br />

Frau Göbel, waren ausgesprochen hilfsbereit, verstauten flugs die Geißler'schen PR-Sektflaschen,<br />

die sie resolut über den triefenden Rasen geschleppt hatte. Die Bundeswehr ist für diesen Abend<br />

und für den nächsten Morgen geordert worden, weil nach dem Terminplan "Gesindepflege" auf<br />

dem Programm steht -Kurzvisite des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit und<br />

Gener<strong>als</strong>ekretär der Christlich Demokratischen Union in seinem Wahl-kreis 161, Landau, Südliche<br />

Weinstraße.<br />

Ein Direktmandat, das Geißler schon 1980 im ersten Anlauf eroberte und seither bequem<br />

hält. Vereinbarungsgemäß hatten auch die beiden Limousinen ihre Stellungen bezogen. Die aus<br />

dem Ministerium vor dem Kanzleramt, aus dem Heiner Geißler abgeholt werden soll, die aus dem<br />

Adenauer-Haus in der Pfalzklinik Landeck, wo Geißler landen soll.<br />

Die Bonner "Schedule", was soviel wie Zeittafel bedeutet, ist mittlerweile durcheinander<br />

geraten; Geißler "taucht und taucht nicht auf - fährt und fährt nicht vor". Die Maschinerie steht<br />

still.<br />

Stille zieht auch durchs Regierungsviertel. Vom Langen Eugen schimmern nur vereinzelt<br />

Lichter aus Büro-fenstern. Nur wenige Bundestagsabgeordnete harren noch in ihren<br />

Dienstzimmern. Sie haben eine sitzungs-freie Woche. Die Straßen menschenleer, hin und wieder<br />

ein paar Autos, Panzerspähwagen der Polizei. Irgendwo versteckt piepsen Sprechfunkgeräte des<br />

Objektschutzes. Scheinwerfer liefern die Silhouetten von Amtsgebäuden, hinter denen sich<br />

Kakteen oder Gummibaumgewächse abwechseln und endlose Flure verbergen. Lediglich der Lange<br />

Eugen überragt dieses lieblos dahin gestoppelte Häusergekrümel aus den Nachkriegsjahren -Bonn<br />

ein Provisorium.<br />

Die Ruhe und die frische Brise am Rhein erinnern an ein ausgestorbenes Seebad zur<br />

Winterzeit. So mitten drin, so eng auf Tuchfühlung mit der politischen Macht, umgeben von ihrer<br />

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