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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Doppelkopfspiel treffen, äußerten ganz offen ihr Unbehagen. Die Polizei wäre nie und nimmer<br />

dort mit Maschinenpistolen im Anschlag hineingegangen, hieß es lapidar. Kommunisten und<br />

Anarchisten würden auf dem Fohrenbachhof hocken. Das seien alles verlauste Gestalten. In solch<br />

brenzligen Situationen war es schon wichtig, dass Volker über die Feuerwehr seine Außenkontakte<br />

sorgsam pflegte, dass Kommandant Brüller am Stammtisch seinen Doppelkopf-Mitspielern<br />

widersprechen konnte. Und sich allmählich bei den Unwilligen die weniger spektakuläre Erkenntnis<br />

durchsetzte, den Fohrenbachhofern gehe es vielmehr darum, ob sie ihre Roggen- und<br />

Gerstenfelder mit Chemikalien oder mit ihrem Kompost düngen sollten. Diesen Stimmungswandel<br />

kann sich Volker <strong>als</strong> sein Verdienst anrechnen. So entpuppte sich ein weitaus harmlosere Thema<br />

zum Dauerbrenner, an dem sich auch der Pfarrer unauffällig beteiligt. Die unverheirateten Paare,<br />

die unehelichen Kinder, keiner will einen Trauschein oder den kirchlichen Segen. Wissen die<br />

Frauen überhaupt - von welchen Männern die Kinder abstammen? Machen die Gruppensex oder<br />

nicht? Das sind heute die Fragen, die die Gemüter immer aufs neue bewegen.<br />

Es war ein bedeutsamer Tag in der jungen Fohrenbachhof-Geschichte, <strong>als</strong> im Sommer<br />

1979 erstm<strong>als</strong> die Feuerwehrmannschaft plus Löschwagen auf dem alternativen Hof vorfuhr.<br />

Kommandant Brüller, im Zivilberuf Dachdecker, hatte kurzerhand eine Übung auf dem<br />

Fohrenbachhof angesagt. Irene kriegte sich gar nicht wieder ein, sie flitzte in die Diele, um den<br />

Biervorrat zu kontrollieren. "Wir müssen Bier holen", sagte sie in einem fort. Pit, ein ausgeflippter<br />

Lehrer, der gerade zu Besuch war, eilte in seinem schwarzen BMW zu Göttlinger und brachte<br />

gleich fünf Kisten mit. Keiner wusste so recht, wie viel die Feuerwehr wegschluckt. Aber nach<br />

Volkers Alkoholpegel zu urteilen, den er stets nach den Übungen hatte, schienen schon fünf Kisten<br />

arg knapp bemessen. Hilde, die ein wenig geschlafen hatte, kam verblüfft in die Küche: "Mensch,<br />

gut mal, die Feuerwehr ist da. Das hätte ich ja nicht gedacht." Selbst Erich, einer der Ruhigsten,<br />

hoppelte etwas schneller über den Hof. "Bier reicht nicht, wir müssen auch Stullen anbieten",<br />

befand er. Die plötzliche Hektik schien verständlich. Letztlich ging es ja auch gar nicht ums<br />

Löschen, sondern einfach darum, dass die Kommune sich von den Einheimischen akzeptiert fühlte<br />

- quasi durch Kommandant Brüller und seine Mannen übermittelt.<br />

Nun standen die Feuerwehrleute unten am Weiher und spritzten mit einem Mords-atü<br />

Wasserfontänen auf die nahestehenden Bäume. Volker blieb auffällig in Brüllers Nähe, ein bisschen<br />

wie sein persönlicher Referent. Hilde, die ihn beobachtete, konnte mit seinem Verhalten wenig<br />

anfangen. "Merkwürdig", dachte sie, "in Frankfurt an der Uni, da hatte Volker mit seinen<br />

Vorgesetzten ständig Autoritätsprobleme. Aber wenn der Feuerwehr-Typ ihm etwas sagt, dann<br />

springt er." Die Übung dauerte keine halbe Stunde. Dafür zog sich die Biertrinkerei bis weit in die<br />

Nacht hinein. Und tatsächlich war es eine der milden und sternklaren Sommernächte unter dem<br />

Birnbaum, von denen die betonerfahrenen Städter schwärmen, wenn sie ans Landleben denken.<br />

Die Feuerwehr-Mannen und die Landkommune saßen im Kreis, Kommandant Brüller war ihr<br />

Mittelpunkt. Bierlallend erzählt er eine Schote nach der andern, auf nNiederbayerisch versteht sich.<br />

Irene, Hilde und Erich lachten meist recht gequält, denn trotz vierjähriger Fohrenbach-Erfahrung<br />

verstanden sie den Kommandanten nicht. Volker, der am Lagerfeuer herum kokelte, hatte es da<br />

einfacher. Als der Kommandant "etwas Alternatives" sehen wollte, holte Volker den alternativen<br />

Esel Nelle aus dem Stall. Brüller glaubte ein Witzbold zu sein und setzte sich in seiner Feuerwehr-<br />

Montur auf Nelle. Nicht einmal seine Offiziersmütze nahm er ab. Erst ritt er gemächlich, ganz<br />

souverän, doch dann wurde Nelle zusehends schneller. Alles brüllte und Kommandant Brüller lag<br />

auf dem Acker ... Rodeo auf Niederbayerisch<br />

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