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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Erzählstunden. Wäre Helms nicht Helms, dann zöge er sich bis zur Abstimmung des von der<br />

CDU/CSU beantragten konstruktiven Misstrauensvotums am 27. April 1972 gegen Bundeskanzler<br />

Willy Brandt im Deutschen Bundestag zurück.<br />

Nur der Landwirt aus Bissenhausen liebt Turbulenzen, ganz gewiss auch hektische<br />

Szenerien in diesen Stunden. – Helms-Stunden. Unverkennbare Momente eines verblichenen<br />

Hinterbänklers, der sich urplötzlich im gleißenden Rampenlicht knalliger Kontraste wähnt – <strong>als</strong><br />

Aufmacher-Meldungen nahezu aller europäischen Fernsehstationen. Er genießt es geradezu, das im<br />

„Fall Brandt“, wie er zu sagen pflegt, „an mir kein Weg vorbeiführt“. Interview über Interview, ein<br />

Gespräch mit der FDP-Spitzen-Garnitur Hans-Dietrich Genscher und Josef Ertl (*1925+2000)<br />

eigens nach Bremen herbeigeeilt, mit denen er sich in „vielen Dingen einig weiß“. Dann wieder ein<br />

Statement für die ARD. Und selbst der amerikanische Nachrichtensender CBS wartet schon in der<br />

Diele.<br />

Große Politik-Entwürfe großer Worte huschen da übers Bauern-Gebälk. Heimvorteil,<br />

Stallgeruch. Auf die Frage, warum er solch ein Spektakel, solch ein Gedöns veranstalte, zumal er<br />

die ohnehin arg angespannte Situation um die Ostverträge weiterhin verschärfe, argumentiert Bauer<br />

Wilhelm Helms mit seinen Wählern, deren er sich im Sinne seiner Politik verpflichtet glaubt. Nur<br />

direkt hat er von den Bürgern in seinem Wahlkreis gar kein Mandat erhalten. Über die berühmte<br />

Landesliste der niedersächsische FDP – <strong>als</strong>o über die Zweitstimme – zog er ins Parlament ein; zum<br />

politischen Überleben zu wenig, für ein Karriere-Ende noch zu viel - noch. Ganze 13,1 Prozent der<br />

Landsleute hatten in seinem Wahlkreis das Polit-Talent Wilhelm Helms erkannt. Dürre Zeiten.<br />

Wilhelm Helms weiß, was die Stunde geschlagen hat, die er selbst einläutete. „Ich wittere<br />

das“, sagt er knapp. Zwar will er „keine Weltpolitik dem eigentlichen Sinn nach betreiben“; er lässt<br />

aber unverhohlen wie überzeugt durchblicken, er habe immer einen „richtigen Riecher“ für<br />

politische Entwicklungen und die sich daraus ergebenen Entscheidungen gehabt; eben ein<br />

„Gespür“ dafür, Macht und Mandat zu sichern.<br />

In der Tat: Zumindest einmal hat Wilhelm Helms das schon durchgezogen, was er <strong>als</strong><br />

seine „richtige Intuition“ ausgibt. Das war im Jahr 1962, <strong>als</strong> er das sinkende Schiff der am rechtskonservativen<br />

Rand agitierenden Deutschen Partei (DP) ganz plötzlich verließ. Seinerzeit war er<br />

fasziniert vom Gedanken, die „Erneuerung Deutschlands“ voranzutreiben und diese junge<br />

Republik aus der „geistig-moralischen Krise“ zu führen. Ob ehemalige Wehrmachts-Offiziere,<br />

Vertriebene aus Ostpreußen oder Schlesien – sie saßen allesamt einträchtig mit Wilhelm Helms<br />

einst auf seinem Acker. Die Restauration im Nachkriegs-Deutschland sammelte ihre gestrauchelten<br />

Väter. Männer, die aber nach ihren Taten von Mord, Tod, Demütigungen, Flucht und Hunger<br />

lediglich einen zentralen Gedanken vor sich hertrugen: Die Wiederherstellung ihrer Würde,<br />

Männlichkeit und somit der nationalen deutschen Identität. Genugtuung.<br />

Dam<strong>als</strong> fischte, buhlte eine auf nationale Gesinnung abgerichtete FDP um die Gunst des<br />

rechten Wählerrandes. Folglich hatte Überläufer Wilhelm Helms eigentlich nur die Etiketten<br />

ausgetauscht. Es war mehr oder minder eine Plakat-Erneuerung in der Grafschaft Hoya, die früher<br />

mal liberale Maximen zur vordringlichen Priorität erhob. Dabei ist Bauer Helms gar kein Mensch<br />

der „Konflikte liebt“. „Nein“, beteuert er da, „ich benötige den Zuspruch, ich brauche Harmonie,<br />

richtige Harmonie.“ Das sei ihm allemal wichtiger <strong>als</strong> „diese aufgemotzten intellektuellen Konflikte,<br />

die man sowieso nicht verarbeiten“ kann. Das sei der eigentliche Grund dafür gewesen, warum er<br />

vor zehn Jahren nach seinem Austritt bei den Deutsch-Nationalen wieder die Konsequenzen zieht.<br />

Dieses Mal geht er allerdings auf eine „spektakuläre Weise“ aus der FDP. Helms lächelt: „Ich habe<br />

dazu gelernt.“<br />

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