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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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würde nur die Feldhasen verscheuchen", sagte er. Trotzdem schlug er für alle Fälle einen Standort<br />

vor. In den Sockel eingehauen sind die Worte: "Es existiert ein Pakt, 20mal 100 Jahre alt, zwischen<br />

der Größe Frankreichs und der Freiheit dieser Welt. Ch.d. G."<br />

"Die Einsamkeit ist meine Freundin. Mit wem sonst soll man sich zufriedengeben, wenn<br />

man einmal mit der Geschichte verabredet war", so dachte, so redete, so schrieb de Gaulle.<br />

Zumindest in "La Boisserie" hat de Gaulle sein Leben lang sendungsbewusst immer wieder darauf<br />

gewartet, von der Geschichte gerufen zu werden. Hier wartete er auf den Einmarsch der<br />

Wehrmacht, der ihn ins Exil nach London trieb und schließlich nach Kriegsende zum Präsidenten<br />

der Republik machte. Hier wartete er zwölf Jahre lang, nach dem Zusammenbruch der Vierten<br />

Republik bis zur Algerien-Krise 1958, die ihm seine zweite Präsidentschaft eintrug. Und hier<br />

wartete er auch auf das Resultat jener für ihn folgen-schweren Volksabstimmung nach den<br />

Studenten-Unruhen im Mai 1968. Er hatte nicht begreifen wollen, dass die großen Stunden der<br />

einzelgängerischen Chefs vorbei waren. Und hier erwartete er letztlich auch den Tod, der ihn am 9.<br />

November 1970 ereilte, <strong>als</strong> er gerade an einem weiteren Kapitel seiner Memoiren schrieb. Titel:<br />

"L'effort" - Die Anstrengung.<br />

Jedes zweite Wochenende flüchtete de Gaulle aus dem ihm verhassten Elysée-Palast nach<br />

Colombey zur Familie. Schwiegersohn de Boissieu, langjähriger Gener<strong>als</strong>tabschef des Heeres, Sohn<br />

Philippe, auch Kulturminister André Malraux (*1901 +1976) waren gelegentlich dabei und durften<br />

mitreden. Nur hier taute der General auf, soweit seine Anstandsregeln dies überhaupt zuließen. Mit<br />

seiner Frau Yvonne hat er sich gesiezt. Von sich selbst sprach er in der dritten Person.<br />

Naheliegend, dass aus seiner Bibliothek Geschichte aus allen Ecken weht. An dieser Stätte<br />

der Zurückgezogenheit wurde zwischen den "Erbfeinden" von einst der deutsch-französische<br />

Freundschaftsvertrag von 1963 vorbereitet. Und Konrad Adenauer war der einzige Regierungschef,<br />

der die Ehre hatte, von de Gaulle in seinem Haus empfangen zu werden. Wie weit die beiden<br />

Staatsmänner ihrer Zeit vorausdachten, belegt der Hinweis, dass schon Charles de Gaulle<br />

(*1890+1970) und Konrad Adenauer (*1876+1967) sich darüber Gedanken machten, ob der<br />

deutsch-französischen Vertrag völkerrechtlich potentiell für Gesamtdeutschland seine Gültigkeit<br />

habe. De Gaulle antwortete mit der prophetischen Bemerkung, dass die Wiedervereinigung <strong>als</strong><br />

"natürliches Schicksal des deutschen Volkes" anzusehen sei.<br />

Irgendwie schlägt diese verschlafene Colombey-Les-Deux-Eglises den bizarren Bogen von<br />

Weltpolitik samt Heldenverehrung zu typischer französischer Sentimentalität zwischen Citroen und<br />

Kinderbettchen. Hier fand de Gaulle jene Leute, die bis heute die Republik weitaus stärker prägten<br />

<strong>als</strong> die fernsehgeübten, wortgewaltigen Intellektuellen aus dem Quartier Latin der auch die<br />

showgeübte Schickeria auf der Croisette von Cannes. La France profonde, wie es heißt, das wahre,<br />

tiefe Frankreich - ohne das in Frankreich keine Mehrheit zu finden ist. So betrachtet, ist de Gaulle<br />

Stätte seiner Zurückgezogenheit nicht nur Wallfahrtsort, sondern Sammel- punkt und<br />

Bekennerplatz der gaullistischen Bewegung schlechthin.<br />

Früh am Morgen hatte Staatspräsident Jacques Chirac (1995-2007) am Tage seiner<br />

Amtsübernahme im Mai 1995 in Colombey-Les-Deux-Eglises am Grab von General de Gaulle<br />

einen Kranz niedergelegt. Das ganze Dorf begleitete ihn. Am Nachmittag fuhr er mit offenem<br />

Wagen, einem Citroen-Mazeration, eskortiert von Fanfare und Kavallerie der Garde auf dem<br />

beflaggten Champs-Elysées. Sichtlich bewegt entzündete Chirac dort im Beisein des<br />

Parlamentspräsidenten und zahlreicher Vertreter seines Algerien-Regiments ( Algerien-Krieg 1954-<br />

1962) und einer begeisterten Menschenmenge am Grab des Unbekannten Soldaten - die<br />

Gedenkflamme.<br />

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