07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dessen ungeachtet schien Iraz Chahedis Aufstieg in der Provinz unaufhaltsam. Sein Chef<br />

Krause versprach ihm eine Beteiligung am Umsatz, Chahedi orderte einen Ford Mustang in den<br />

USA, seine Tweedanzüge ließ er sich an Hamburg maßschneidern - denn das Stangengeschäft war<br />

für ihn seither passé. Bei der Kölner Kreditbank bekam er sogar ein 100.000-Mark-Darlehen zu<br />

einer Verzinsung von 9,5 Prozent, die erste Eigentumswohnung war gekauft. Parallel beantragte er<br />

seine Eindeutschung, sein Chef trat mit einem Kameraden aus der schlagenden Verbindung in Plön<br />

<strong>als</strong> Bürge auf.<br />

Doch die Weltläufigkeit nahm in der norddeutschen Provinz jäh ein Ende, <strong>als</strong> Apotheker<br />

Krause sich nicht mehr erklären konnte oder wollte, woher sein Mitarbeiter das ganze Geld nehme.<br />

Krause hegte den Verdacht, dass sein Kompagnon Scheine aus der Drogerie- und Apothekenkasse<br />

verschwinden lasse. Gefängnis und Abschiebung drohte er ihm an, und einen Einblick in Chahedis<br />

Konten forderte er. Schließlich habe er, der Plöner Vize-CDU-Kreisvorsitzende, für ihn gebürgt,<br />

damit er überhaupt Deutscher werden könne. Nach elfjähriger Zusammenarbeit trafen sich die<br />

Freunde von einst vor dem Arbeitsgericht wieder. Dazu Chahedi: "Die Sachlage war klar. Er sah in<br />

mir neuerdings einen Konkurrenten. Er wollte verhindern, dass ich deutscher Staatsbürger werde<br />

und mich selbstständig mache. Denn siebzig Prozent seiner Kunden wären zu mir gekommen.<br />

Krause kümmerte sich fast nur um seine Politik, in der Apotheke war er kaum zu sehen."<br />

Wolf-Dieter Krause, der derartige Motive bestritt, zeigte Chahedi bei der<br />

Staatsanwaltschaft in Kiel wegen Unterschlagung an, zog die Bürgschaft zurück, seine<br />

Mitarbeiterin, die mit Chahedi die Ehe eingegangen war, löste flugs das Bündnis auf. Kurzum: Iraz<br />

Chahedi sah sich gezwungen, wieder dort anzufangen, wo er 1973 kurz vor seiner Ausweisung<br />

aufgehört hatte. Er besorgte sich zwei neue Bürgen - diesmal einen Oberstleutnant a. D. und einen<br />

Präsidenten der Oberpostdirektion a.D. - heiratete zum zweiten Mal ("Endlich meine Liebe") und<br />

wartete acht Monate auf das Ermittlungsergebnis, bis die Staatsanwaltschaft das Verfahren<br />

(Az:52Js65/78) ohne großes Aufheben einstellte. Weitere vier Monate vergingen, ehe sich das<br />

Kieler Innenministerium nun endgültig entschließen konnte, dem unbescholtenen Chahedi die<br />

Einbürgerungszusicherung auszuhändigen.<br />

Oft genug kommen politische Motive ins Spiel, wenn Beamte mit einem<br />

Einbürgerungsfall ihre Vorstellung von "ehrbaren Deutschen" verknüpfen - natürlich<br />

paragrafentreu.<br />

In Berlin lehnten sowohl der Innensenator <strong>als</strong> auch die XI. Kammer des<br />

Verwaltungsgerichts 1977 die Einbürgerung des Engländern Alan Posener, 30, ab. Der Pädagoge,<br />

Sohn des Architekturhistorikers Julius Posener, wurde 1949 in England geboren, wohin sein Vater<br />

1933 wegen "rassischer Verfolgung" emigriert war. Als die Poseners 1962 nach Berlin umsiedelten,<br />

ließ sich der Vater wieder einbürgern. Der gleiche Antrag wurde freilich abgewiesen, <strong>als</strong> ihn der<br />

Sohn stellte. Da nützte es auch nichts, dass Posener Junior ein deutsches Domizil vorweisen<br />

konnte, mit einer Deutschen über fünf Jahre verheiratet ist und sein erstes Staatsexamen "mit<br />

Auszeichnung" an einer deutschen Universität bestanden hat.<br />

Der Grund für den Negativ-Bescheid: Nach dem noch geltenden "Reichs-und<br />

Staatsangehörigkeitsgesetz", das im wesentlichen aus dem Jahre 1913 stammt, müssen Ausländer<br />

"einen unbescholtenen Lebenswandel" nachweisen können. Posener , nach eigenem Bekunden<br />

parteiloser Maoist, ist jedoch wegen KPD-naher Aktivitäten zu zwei Bagatellstrafen von jeweils 300<br />

Mark verurteilt worden. So hatte er mit einer Spraydose an eine Berliner AEG-Mauer den Satz<br />

gesprüht: "Weg mit dem Staatsschutzgesetz gegen die KPD." Das Verwaltungsgericht meinte,<br />

derlei Graffiti-Malereien seien "Ausdruck einer gewissen Gesinnung, die zu Straftaten führt".<br />

341

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!