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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Wie viele Pferde es sind ? Der Hausherr weiß es nicht: "Zehn, vielleicht 20." Sohn<br />

Michel,23, und Mitglied der kommunistischen Jugendbewegung, der mit einem der Hengste <strong>als</strong><br />

Springreiter an der nächsten Olympiade in Moskau teilnehmen will, korrigiert: "Es sind 24." Neben<br />

den Stallungen die private Reithalle, so groß, dass sie gut <strong>als</strong> Hangar einer Boeing 707 dienen könnte.<br />

Dahinter dann der offene Parcours. Auf dem Rückweg ein kurzer Stopp vor einem Haus aus unverputztem<br />

Feldstein, davor ein Hühnerstall und ein kleiner Blumengarten. Es ist das Geburtshaus des<br />

Patron, sein Vater war Tagelöhner; seine Mutter, die <strong>als</strong> Amme die Kinder begüterter Bürger im<br />

nahen Städtchen Noé nährte, starb hier an Auszehrung, <strong>als</strong> der Junge Jean-Baptist 16 Jahre alt war.<br />

Bei der Rückkehr springen vier Hunde den Hausherrn an: gefleckte Dogen, ein Schäfhund<br />

und der fohlengroße Barsoi "Kopek", eine zottelige Windhundart, die in ihrer sibirischen Heimat<br />

Wölfe jagt. Von der Straße her sieht das Wohnhaus unscheinbar aus, eine Betonmauer ohne Fenster,<br />

darauf ein Schrägdach. Zum Garten hin springt das Haus wie eine Muschel auf, durch bodentiefe<br />

Fensterfronten dringt Sonnenlicht in die gut 100 Quadratmeter große Wohnhalle, ein Balkon vor<br />

dem Schlafzimmer im ersten Stock ist zugleich Sprungbrett in den drei Meter tiefen Swimming-Pool<br />

- beheizt und mit Unterwasser-Beleuchtung.<br />

Die Mittagstafel, ein großer runder Holztisch mit drehbarem Innenteil, ist schon gedeckt.<br />

Der 23jährige Michel gibt dem Diener - einem gleichaltrigen Marokkaner - knapp Order: "Sie<br />

können jetzt servieren!" Gänseleberpastete und ein schwerer 69er Monbazillac-Weißwein beginnen<br />

auf dem Innentisch ihre Karussellfahrt. Der Hausherr philosophiert dazu: "Meine Lebenserfahrungen<br />

haben mir bewiesen, dass der Kapitalismus überholt ist". sagt er und rollt dabei die Konsonanten,<br />

"in spätestens 30 oder 50 Jahren ist es vorbei. Dann wird die Gesellschaft der Menschen<br />

wissenschaftlich so organisiert sein, dass Gleichheit und Gerechtigkeit herrschen. Das ist mein<br />

innigster Wunsch."<br />

Der Hausherr ist Kommunist, Selfmade-Kommunist. Im Sterbejahr seiner Mutter gründete<br />

er mit zwei Freunden die kommunistische Partei seines Heimatortes. Der 16jährige Hirtenjunge,<br />

der keine Zeit für die Schule hatte, war vom Gemeindepfarrer und Dorfbriefträger - beide wegen<br />

aufrührerischer politischer Ideen nach Noé strafversetzt - in Marx und Engels, auch Kant und Hegel<br />

unterwiesen worden. Er wollte sich damit nicht abfinden, dass bei der Ordnung der Welt in Reiche<br />

und Arme die Reichen immer nur die anderen sein sollten. Jean-Baptiste Doumeng hat es geschafft.<br />

"Ich bin der reichste Kommunist der Welt", kann er heute von sich sagen. Wie reich genau, erzählt<br />

er nicht, vielleicht weiß er's nicht. Nur: "Für 20 Millionen Dollar würde ich meinen Platz nicht<br />

räumen."<br />

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