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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Petitions- und Verteidigungsausschuss des Parlaments stapeln sich die Beschwerdebriefe. Amnestie<br />

international kümmert sich um Kriegsdienstverweigerer, die im Knast gelandet sind.<br />

So in der baden-württembergischen Jugendstrafanstalt Oberndorf zwischen Freudenstadt<br />

und Rottweil, die Vollzugsdirektor Rasenack <strong>als</strong> "zukunftsweisendes Modell" lobt; aber oft ist in<br />

dem 25-Zellen-Knast die Hölle los. In einer Nacht, es war die "Oktoberrevolution in Oberndorf"<br />

(Rasenack), zertrümmerten seine "Knakkis" alles, was nicht niet- und nagelfest war. Vier Monate<br />

glich die Jugendvollzugsanstalt einer Baustelle - Rodeo im Schwarzwald und kaum jemand nahm<br />

Notiz davon.<br />

Für Rasenack sind solche Aggressionsausbrüche ganz normal: "Wir haben hier ja alles.<br />

Vom Mord über Raub, schwere Diebstähle, Vergewaltigungen, Rauschgift-Deal bis hin zu den<br />

Kriegsdienstverweigerern." Einer von dieser Sorte Mensch ist Peter Stärk in der Zelle 7, seit über<br />

fünf Monaten in Haft. 20 Jahre alt, Arbeiter, katholisch. Vorstrafen: keine<br />

Kaum eingezogen verweigerte er im Ausbildungs-Bataillon 3/2/95 in Immendingen den<br />

Gehorsam. Stärk wollte nicht schießen, nicht mit einer "Gasmaske aufgesetzt" singen, nicht durch<br />

Pfützen robben. - Im Arrestbunker fand er sich wieder. Vier kahle weißgetünchte Wände, ein<br />

Guckloch, keine Toilette, kein Wasser, ohne Schnürsenkel, keine Zigaretten, kein Sprechkontakt.<br />

Aber eine Bibel.<br />

Zermürbt kehrt Peter Stärk zur Truppe zurück. Jetzt geht er in den Schießstand und reißt<br />

auch die Nachtmärsche runter. Doch wenige Tage später ist der Wehrpflichtige spurlos<br />

verschwunden. Tagelang versteckt er sich in den nahegelegenen Wäldern. Erst der Hunger treibt<br />

ihn den Feldjägern in die Arme. Kompaniechef Thoma schiebt ihn ab in den Knast nach<br />

Oberndorf. Auf dem Hofgang trifft er auf Claus Grieshaber, der sechs Monate Bau hinter sich hat,<br />

und die Kameraden Bernd Lizareck und Uwe Mösinger. Beide inhaftiert wegen<br />

Befehlsverweigerung und Fahnenflucht.<br />

Im "modernen Vollzug" von Oberndorf begegnen Stärk nur Hohn und Verachtung. Der<br />

Grund: Auch in der Haft bekommt er weiter seinen Wehrsold. Das ärgert Gefängnis-Boss<br />

Rasenack: "Die hauen von der Truppe ab, hören hier den ganzen Tag Musik und kassieren dazu<br />

noch Mäuse." Manchmal lässt Jurist Rasenack seine "Knackis", wie er sie nennt, aus der Zelle<br />

raustreten. Geht hinein und reißt die Pornos von der Wand. Automatenknacker Sepp und der<br />

drahtige Egon, er hat seine Oma umgebracht, weil sie ihm nicht den Hunderter "rüberschieben<br />

wollte", haben einen "todsicheren Riecher" dafür, "dass der Chef mit Kriegsdienstverweigerern<br />

nichts im Sinn hat".<br />

Sepp: "Die sind doch bescheuert; beim Bund lernen sie doch wenigstens ordentlich<br />

schießen."<br />

Egon: " Wie kann man nur so dumm sein und wegen solcher Kleinigkeiten einsitzen.<br />

Wenn ich in den Bau gehe, muss es sich schon lohnen."<br />

Die Kriegsdienstverweigerer sind von der Anstaltsleitung und den anderen Häftlingen<br />

isoliert. Wenn "Resozialisierungs"-Veranstaltungen auf dem Programm stehen (Vortrag:<br />

"Überlebenschance in der Wüste"), sind sie nicht dabei. Höchstens dann, wenn es Krach gibt,<br />

wenn mit heißer Brühe um sich geworfen wird und Schlägereien provoziert werden. Peter Stärk<br />

stellt aus der Zelle den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Als die Prüfungskommission per<br />

Bundeswehr-Bus in Oberndorf vorfährt, um Stärks Gewissen auszuleuchten, ist der Zwanzigjährige<br />

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