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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Elisabeth Badinter ist eine wegweisende Persönlichkeit. Ihre Dominanz und Vehemenz,<br />

das, was sie antizipiert und vorhersieht, ihr Denken und Vordenken - das ist die Zukunft der<br />

Frauen. Und ihre Wohnung, ihre Vorlesungen oder Seminare sind Lern- , auch<br />

Bewusstseinsrefugien für Studentinnen und jene jungen Herren, in denen die Philosophin den<br />

"versöhnten Mann" erkennt. Weil er in der Lage ist, die altüberkommene Männlichkeit in Frage zu<br />

stellen, etwas von der gefürchteten Weiblichkeit anzunehmen und dadurch letztlich eine neue<br />

Männlichkeit zu finden.<br />

"Er hat die beiden verstümmelten Männer", sagt die Professorin prononciert, "den harten<br />

Mann (Macho) und die Antwort auf ihn, den weichen Mann (Softie), hinter sich gelassen."<br />

Viele Bücher hat Elisabeth Badinter geschrieben, bedeutende Werke. Es sind Bücher, die<br />

schon jetzt unser Denken beeinflussen, das der nachfolgenden Generationen wohl noch<br />

nachhaltiger. Die Hochschullehrerin sieht ihre Lebensaufgabe darin, das - ziemlich erbärmliche -<br />

Geheimnis der Männlichkeit zu lüften. Das Ende angemaßter männlicher Vorherrschaft mit<br />

wissenschaftlich fundierter Akribie zu untermauern. "Wir erfinden uns gerade neu", urteilt sie, "das<br />

ist das Aufregendste in dieser Epoche."<br />

In ihrem Buch "Mutterliebe", erschienen 1980, wies Elisabeth Badinter nach, dass die<br />

immer wieder, auch pathetisch beschworene "Mutterrolle" <strong>als</strong> unumstößliches gesellschaftliches<br />

Fundament in Wirklichkeit erst mit dem Aufstieg des Bürgertums begann. Historisch belegte die<br />

Autorin, dass der Mythos der aufopferungs-vollen Mutterschaft, dieses naturgegebenen Monopols,<br />

den Frauen angedichtet worden ist.<br />

Erst am Ende des 18. Jahrhunderts mühten sich Ärzte, Moralisten und Administratoren in<br />

Frankreich, den Frauen-Mythos <strong>als</strong> Mutterinstinkt aufzuwerten -der Frau die Funktion einer<br />

"Gebärmaschine" zuzuweisen. Im Hintergrund standen wirtschaftliche Interessen, das Volk der<br />

Franzosen in einer großen Anzahl zu erhalten. Die Philosophie der Aufklärung ersetzte die Theorie<br />

des natürlichen und göttlichen Ursprungs väterlicher Gewalt durch die Idee der Beschränkung<br />

dieser Macht.<br />

Zentraler Ausgangspunkt war vielmehr die Gleichheit von Mann und Frau in der<br />

Erziehung. Das 19. Jahrhundert war geprägt von Appellen, eine gute Mutter zu sein. Heftigst<br />

wurden Frauen gesellschaftlich gebrandmarkt, die ihrer Mutterrolle nicht im gewünschten Umfang<br />

nachkamen. Erst in dieser Epoche entstand die Vorstellung, dass Fürsorge und Zärtlichkeit der<br />

Mutter für die Entwicklung und das Wohlbefinden des Babys unersetzlich sind.<br />

Demzufolge kritisierte Elisabeth Badinter und mit ihr schon die feministischen<br />

Bewegungen der sechziger Jahre das von Sigmund Freud entworfene Frauenbild <strong>als</strong><br />

Hauptverantwortliche für das Glück des Kindes. Durch scheinbare Selbstaufopferung, so Freud,<br />

findet die Mutter ihre Erfüllung in ihren Kindern. Sie sei verantwortlich für das psychische<br />

Wohlbefinden ihrer Kinder. Mit den sechziger Jahren begann Elisabeth Badinter mit den<br />

feministischen Bewegungen in Frankreich, diesen Mythos von der natürlichen Mutterschaft<br />

grundlegend zu zerstören. Im Klartext: Mutterliebe ist nichts Selbst-verständliches mehr,<br />

mütterliche Fürsorge ist Arbeit, für die Entgelt zu verlangen ist. Badinter: "Mutterliebe ist ein<br />

wandelbares Gefühl, kein Instinkt. Die Väter nehmen mehr Anteil an ihren Kindern, sie werden<br />

mütterlicher, während die Frauen männlicher werden."<br />

Sechs Jahre später präsentierte die Philosophin der Öffentlichkeit ihr Werk "Ich bin du".<br />

Darin fragt sie: Der Busch ist weit weg, wenn er nicht schon abgeholzt wurde, und wo haben<br />

Männer eigentlich noch die Chance, ihre Männlichkeit unter Beweis zu stellen? Wohl nirgendwo in<br />

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