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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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so heißt und sogar in wilder Ehe leben soll, kann hier keiner so recht glauben. Schließlich hat er<br />

doch gültige Papiere, und seine Frau ist auf freiem Fuß", so die Wirtin Elfriede Kunz. Dass Herr<br />

Jantz ein "SS-Massenmörder sein soll, der aus lauter Lust und Laune Kinder, Frauen und Greise<br />

erschoss und hier untertauchte, "kann und darf nicht wahr sein", so die Metzgersfrau Irmgard<br />

Bremond.<br />

Frau Bremond lebt schon seit 46 Jahren im Ort. Morgens um sieben Uhr steht die Mutter<br />

von drei Kindern im Fleischerladen, abends zapft sie in der Wirtschaft Bier. "Nein", sagt sie<br />

nachdenklich, "wir haben schon viel erlebt - einen Makler, der sich <strong>als</strong> Gauner entpuppte, einen<br />

Zahnarzt, der mit 300.000 Mark Steuerschulden durchbrannte, und auch einen Rentnermord, doch<br />

die Täter saßen schon am nächsten Tag." Aber einen Massenmörder? Frau Bremond sagt, da helfe<br />

nur eines: "Abzugsfinger ab, Kopf ab."<br />

Mit dieser Meinung steht die Metzgersfrau freilich ziemlich allein da. Zwar beherrscht die<br />

Verhaftung des Jantz das Dorfgespräch, aber an die Hintergründe, dass es sich um einen<br />

mutmaßlichen SS-Massenmörder handelt, will so recht keiner glauben. Ob im Edeka-Laden, bei<br />

Bäcker Erno Müller, bei Foto Grimm, im Elektrogeschäft Mandt, alle reagieren zunächst zaghaftängstlich,<br />

dann aber entschlossen offensiv, um die angenagte Reputation des Dorfes zu retten. Für<br />

Brigitte Müller, eine Endzwanzigerin im Verkehrsverein, "muss doch nun endlich mal Schluss<br />

sein". Und die Postbotin Schmidt, die Tag für Tag in Lastexhosen und Anorak ihre Runden zieht,<br />

wirkte Herr Jantz "ja geradezu liebenswürdig". Als die Beamtin zwei ältere Damen im Fenster<br />

bemerkt, ruft sie ihnen zu: "Stimmt doch, wir können über Herrn Jantz nichts Schlechtes sagen?"<br />

Vom Gegenüber tönt es zurück: "Ja, er ist nett und bescheiden."<br />

Zu Hause bei den Nachbarn des Verhafteten, bei Emil und Anita Sattler in der<br />

Hauptstraße 9, hängt in der guten Stube der gerahmte Spruch: "Dass mir der Hund der Liebste sei,<br />

sagst du oh Mensch sei Sünde, der Hund bleibt mir im Sturme treu, der Mensch nicht einmal im<br />

Winde."<br />

Über ihre Haustiere haben sich die Sattlers und die zugezogenen Jantzens vor vier Jahren<br />

angefreundet. Denn seltsamerweise verstanden sich Sattlers Jagdhündin Anka und der Kater Peter<br />

Bunsemann von Jantz auf Anhieb prächtig. "Die Sympathie zwischen den beiden ging sogar so<br />

weit, dass meine Anka für den Bunsemann das Kitekat apportierte", erzählt Sattler.<br />

Verständlich, dass auch die Nachbarschaftshilfe zwischen Haus Nr.11 und Nr. 9 gedieh.<br />

Sattler über Jantz: "Er ist ein Mann der hilft, wo er nur helfen kann." Schon früh morgens, wenn<br />

Hobbygärtner Sattler seine 75 Kilo schwere Fräsmaschine aus dem Stall holen wollte, kam Jantz im<br />

Pyjama und packte mit an. Er schmirgelte und strich den Nachbarn die Zäune, fuhr mit seinem<br />

Simca-Chrysler die Hausfrauen zum Supermarkt nach Wetzlar, und sein Telefon - das einzige im<br />

Straßenabschnitt - war mehr oder minder ein Gemeinschaftsanschluss.<br />

Und nun auf einmal "soll unser Herr Jantz ein Mörder sein?" fragt Frau Sattler, "Nein",<br />

gibt ihr Mann die Antwort, "Rufmord ist das. Die Russen schießen hier einen nach dem anderen<br />

raus. Die wollen Europa kassieren wie eine faule Frucht. Die wollen, dass ihre Pferde einmal<br />

Wasser aus dem Atlantik saufen."<br />

Die Limburger Oberstaatsanwälte Alfred Gerber, 53, und Norbert Winkler, 44, sehen das<br />

anders. Für sie ist der 65jährige Ludwig Jantz in Wirklichkeit der 61jährige SS-Unterscharführer<br />

Ludwig Klemm. Fünfzehn Jahre suchte die bundesdeutsche Strafverfolgung diesen Mann, sechs<br />

Jahre dauerten die Ermittlungen, und zwar zur Person und zur Sache. Wenn Ludwig Jantz im<br />

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