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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Blochs Prinzip Hoffnung wird hier weitergedacht, aus dem Philosophie-Seminar ins Leben geholt:<br />

quasi <strong>als</strong> gutmachende Anleitung für den Kampf um Recht und Gerechtigkeit.<br />

Antje Vollmer, die von sich sagt, sie möchte mal so leben, dass insbesondere Frauen<br />

denken, was sie kann, das kann ich auch, stellt ihr Leben und ihre Arbeit unter den Druck<br />

größtmöglicher Authentizität. Sie weiß um ihr Sendungsbewusstsein in der Bonner Raumstation, in<br />

der sie "dicke Bretter" zu bohren hat. Aber gerade dieser Anspruch lässt sie oft verzagt<br />

dreinschauen und sogar des Nachts in ihren Träumen noch schuften. Ihr Politik-Dasein ist<br />

bestimmt von einem abgeschotteten Verhalten gegenüber einem Milieu, in dem Radikalität und<br />

Unbestechlichkeit gegen sich selbst Fremdbegriffe sind; Eigenschaften, die für die bei allen<br />

Erfolgen bescheiden gebliebene Antje Vollmer charakteristisch sind - vom Gerede und Gehabe<br />

längst abgelöst worden. Ihr Einstieg in die Bundes-Politik war insofern leicht, <strong>als</strong> sie konkurrenzlos<br />

ihre Arbeit aufnehmen konnte. Ob in der Friedens- oder in der Frauenpolitik - bei den Grünen<br />

wurde dam<strong>als</strong> überall gerangelt. Nur von der Landwirtschaft verstand keiner etwas. Zur<br />

Zufriedenheit aller übernahm sie die Verantwortung für ein unpopuläres Arbeitsfeld. Es gelang ihr,<br />

eine Alternative zur EU-Agrarpolitik zu entwickeln, die auf eine beachtliche Resonanz nicht nur bei<br />

den Landwirten, sondern auch bei der CDU stieß, die begründete Ängste um ihr Wählerpotenzial<br />

hegte. Das Leben der Bauern kannte sie noch vom Lindenhof, mit diesen Menschen fühlte sie sich<br />

verbunden: "Im Loyalitätskonflikt hätte ich mich für die Bauern und nicht für die Grünen<br />

entschieden." Das Jahr 1983 war für Antje Vollmer ein Aufbruchsjahr zu anderen Ufern. Ein<br />

unvermuteter Aufbruch, der Erinnerungen an andere Aufbrüche in ihrem Leben weckte. Mit zehn<br />

Jahren wollte sie unbedingt aufs Gymnasium.<br />

Ein Wunsch, mit dem sie innerhalb ihrer Familie aus der Reihe tanzte. Mit zwanzig hatte<br />

sie es endlich geschafft, wegzukommen aus der beklemmenden Kleinstadt Lübbecke im<br />

Westfalenland: raus, möglichst weit weg - Berlin, Paris, Damaskus, Madrid, Rom. Dann kam das<br />

Studium und Studentenbewegung - theoretisches Neuland. Es schlossen sich an drei Jahre <strong>als</strong><br />

Pastorin in einem Berliner Arbeiterviertel. Sie wurde dreißig und fing noch einmal von vorne an,<br />

hängte die "theologische Amtsperson" an den Nagel. Neuer Beruf, neue Lebenswelt, neue Freunde.<br />

Immer auf der Suche, getrieben vom Drang aus dem Leben etwas zu machen. Das Glück scheine<br />

ihr günstig gewesen zu sein, meint sie rückblickend lakonisch. Als Antje Vollmer die Parteiarbeit<br />

aufnahm, überschatteten die Politik der Grünen starke Auseinandersetzungen in der<br />

Fraktionsführung. Das ist nach Jahren immer so. Dam<strong>als</strong> bestand die Fraktionsführung aus Otto<br />

Schily ( 1980 Mitbegründer der Grünen, 1990 SPD-Bundestagsabgeordneter, 1998-2005<br />

Bundesminister des Inneren), Petra Kelly (Alternativer Nobelpreis 1982 - *1947 +1992) und<br />

Marieluise Beck-Oberndorf ( 2002-2005 parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für<br />

Familie, Frauen, Gesundheit, Ausländerbeauftragte).<br />

Alle drei hatten vor allem eins gemeinsam, sie konnten nicht miteinander. Antipathien.<br />

Diese Situation schien nicht nur für Antje Vollmer prekär. Es konnte nicht darum gehen, sich blind<br />

für eine Person zu entscheiden. Das hätte nur unnötige persönliche Verletzungen mit sich<br />

gebracht, den lähmenden Zustand der Partei verlängert. Für Antje Vollmer und Gleichgesinnte<br />

stellte sich die Frage, wie eine allseits akzeptable Lösung aussähe. Was einst Utopie war und nun<br />

knallharte Wirklichkeit wurde - zum Missvergnügen vieler männlicher Grünen - das war das<br />

Feminat der Bundestagsfraktion der Grünen. Es war eine Geburt in schwerer Stunde, doch - wie<br />

Antje Vollmer meint - zur rechten Zeit. Mit einem Machtputsch der Frauen -wie es von den<br />

Medien männertreu dargestellt wurde - hatte das Konzept nichts gemein. Antje Vollmer und ihre<br />

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