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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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noch niemand im Klartext zu formulieren wagte: Emanzipation schön und gut,<br />

Gleichberechtigung, Frauenförderung auch, falls es denn wirklich noch sein muss - aber bitte doch<br />

nur dann, wenn die Kasse stimmt. Unter dem vorherrschenden Eindruck einer ökonomischen<br />

Krise droht Frankreichs Frauenpolitik sich dem Nullpunkt zu nähern. Wie es schon immer war,<br />

sind es die Französinnen, die zuerst nach Hause geschickt werden, "warten da doch noch", wie es<br />

der Pariser Unternehmerverband höflich auszudrücken pflegt, "ungeheure brachliegende<br />

Arbeitskapazitäten - mit Küche und Kind".<br />

Die staatliche Fluggesellschaft Air France durchlebt mit ihren 44.000 Beschäftigten seit<br />

ihrer Gründung die schwerste Finanz- und Strukturkrise. Obwohl schon vor zwei Jahren 5.000<br />

Arbeitsplätze ersatzlos gestrichen wurden, schnellte das Gesamtdefizit auf die Rekordhöhe von 1,4<br />

Milliarden Euro. Um die drittgrößte europäische Fluggesellschaft nicht weiter in die Verlustzone<br />

abstürzen zu lassen (die Rentenversicherung wurde schon beliehen), sollten auf Geheiß der<br />

Regierung Balladurs weitere 4.000 Menschen ihre Beschäftigung verlieren, das weltweite<br />

Streckennetz um 30 minusbringende Fluglinien und 15 Zielflughäfen gekappt werden. Löhne wie<br />

Gehälter sollten gekürzt - zumindest aber eingefroren werden.<br />

Früher war der Flugverkehr in Europa strikten Abläufen unterworfen. Sowohl die Tarife<br />

<strong>als</strong> auch die Anzahl der Flüge mussten von den jeweiligen nationalen Behörden genehmigt werden.<br />

Ende der achtziger Jahre begann die EU-Kommission die engen Regeln aufzubrechen. Mit Beginn<br />

des Jahres 1993 kann nun jede europäische Fluggesellschaft jeden Ort in Europa anfliegen -sooft<br />

sie will, zu welchem Preis sie will.<br />

Allesamt sind es die Nebelkerzen dieser Jahre, die da unisono zu den allabendlichen<br />

Nachrichtensendungen in den jeweiligen Landessprachen in ganz Europa hochgehen: Effizienz<br />

und Leistungsbereitschaft, neue Märkte, neue Absätze, neue Produkte - aber Lohneinbußen.<br />

"Dieses Europa", bekundete die französische Frauenrechtlerin Gíséle Halimi, "wird kein Europa<br />

der Frauen sein; es ist ein Europa der Männer nach ihrem Strickmuster. Wie Mosaiksteine werden<br />

jetzt möglichst unauffällig unsere Rechte abgetragen. Den Frauen fehlt es an Überblick. Erst in<br />

einem Jahrzehnt werden wir Frauen wahrscheinlich erkennen, dass diese Europapolitik in sich<br />

geschlossen gegen uns Frauen gerichtet war." Seit in Europa die Airline-Einkünfte<br />

zusammenbrechen, seitdem die Kapazitäten nicht mehr national zu verteilen sind, offenbaren sich<br />

f<strong>als</strong>che Prognosen, f<strong>als</strong>ch errechnete Zuwachsraten, an denen über Jahre gearbeitet worden war.<br />

Wunschprojektionen und Wirklichkeit. Nach einhelliger Expertenmeinung dürften am<br />

Ende des Jahrzehnts nur noch drei große Fluggesellschaften überleben -British Airways, Lufthansa<br />

und Air France.<br />

Szenenwechsel. Paris, Rue Christoph Colomb, Sitz der französischen Pilotinnen - der<br />

"Association des Pilotes Françaises" mit ihren etwa 300 Mitgliedern. Schon im Jahre 1971<br />

gründeten Frauen ihren eigenen Fliegerverband. Formal ging es den Französinnen darum, endlich<br />

auch für Frauen den bis 1973 versperren Zugang zur nationalen Hochschule zur zivile Luftfahrt<br />

(Ecole Nationale d'Aviation civile) durchzuboxen. Es gelang. Gesellschaftlich wie emotional wich<br />

die feminine Pilotinnenoffensive im Verbandsinnenleben einer zunächst zaghaften, dann aber<br />

vehementen Rückbesinnung auf unveräußerbare Fraueneigenschaften.<br />

Schon ein kurzer Blick in die französische Pilotinnengeschichte gewinnt in diesen Wochen<br />

an Aktualität. Sie verdeutlicht, dass Frankreichs Fliegerinnen schon immer die Nation zu<br />

faszinieren vermochten. Nur kaum jemand konnte sich daran erinnern, dass es Pilotinnen waren,<br />

die Fliegergeschichte schrieben.<br />

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