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Kategorie C: "Es gibt Anzeichen oder man kann vernünftigerweise davon ausgehen, dass<br />

eine direkte oder indirekte Verwicklung in die Bewegung vom 30. September vorlag."<br />

Diese dehnbaren Begriffe öffneten jeder Willkür Tür und Tor. Wer immer der Regierung<br />

nicht passte, konnte und kann aufgrund dieser präsidialen Verordnung verfolgt werden. Zur<br />

Kategorie A, die die angeblich gefährlichsten Gefangenen umfasst, zählen rund 2.000 Personen.<br />

Eine Aussage des Gener<strong>als</strong>taatsanwalts Sugih Arto gibt Zeugnis von dem Willkürregime: "Dann<br />

gibt es da die B-Gefangenen. Wir wissen mit Sicherheit, dass sie Verräter sind, dass sie ideologisch<br />

voreingenommen sind, aber es gibt ncht genügend Beweise, um sie vor Gericht zu bringen."<br />

Den Gefangenen ist Rechtsbeistand in den meisten Fällen verwehrt. Folter,<br />

Elektroschocks, Zerquetschen der Zehen unter Tischbeinen, das Hineinstoßen der Gefangenen in<br />

Gruben, deren Boden mit Glassplittern bedeckt ist - werden zur gängigen Verhörmethode. Folter<br />

ist sogar amtlich eingeräumt. Der Hochkommissar der Polizei Dr. Hudioro erklärt einmal<br />

öffentlich, seine Beamten seien "nicht immer in der Lage, Ermittlungen ohne Anwendung von<br />

Gewalt durchzuführen". Der indonesische Rechtsanwalt Dr. Yap Thiam klagte im August 1975 vor<br />

dem staatlichen Gerichtshof in Djakarta das Schicksal der politischen Gefangenen an: "Sie werden<br />

behandelt wie der Abschaum der Gesellschaft, beraubt der elementarsten Rechte, die allen anderen<br />

Bürgern zustehen. Die Gefangenen haben keine Macht und keine Stimme, kein Recht, sich zu<br />

beschweren, oder gegen ihre nicht endende Einkerkerung, gegen Torturen, Beschimpfung, Hunger<br />

und Krankheit zu protestieren." Yap Thiam sprach aus eigener Erfahrung. Er war selbst verhaftet,<br />

aber dann wieder freigelassen worden.<br />

Die Administration legt nicht nur fest, wer Kommunist war oder verdächtige Kontakte zu<br />

Kommunisten hatte, sie bestimmt auch, wer nicht Kommunist ist. Jeder Indonesier, der eine<br />

Schule besuchten oder arbeiten will, braucht ein Schriftstück, das ihm bescheinigt, nicht in den<br />

Putsch von 1965 verwickelt gewesen zu sein. Durch dieses Dekret ist zugleich jede<br />

Wiedereingliederung ehemaliger politischer Gefangener verhindert. Denn wer immer sich auf<br />

Kontakte mit einem ehemaligen Gefangenen einlässt, läuft Gefahr, selbst inhaftiert zu werden,<br />

zumindest aber nicht jene Schriftstück zu erhalten, das ihm Schulbesuch oder Arbeit ermöglicht.<br />

Ein perfekter Willkür-Automatismus ist damit in Gang gesetzt. Wann immer die indonesische<br />

Regierung zur Rede gestellt wird, dass sie über ein Jahrzehnt politische Gefangene ohne Prozess<br />

festhält, ist ihre Replik: Die Gefangenen können zum großen Teil deshalb nicht in ihre Heimat<br />

entlassen werden, weil sie sich <strong>als</strong> Kommunisten und Atheisten den Zorn der Dorfbewohner<br />

zuzuziehen würden und möglicherweise getötet werden könnten.<br />

Tatsächlich hat die Regierung wohl in voller Absicht noch kein Programm entwickelt, wie<br />

die politischen Häftlinge jem<strong>als</strong> wieder <strong>als</strong> freie Bürger leben können. Die Gefangenenpolitik ist<br />

längst Teil eines Umsiedlungsprogramms geworden, um die Hauptinsel Java zu "entlasten". Ein<br />

typisches Beispiel ist die Deportationsinsel Buru, eine Molukkeninsel. In einem vom holländischen<br />

Fernsehen im Oktober 1976 ausgestrahlten Programm sagte der Lagerleiter von Buru über die<br />

Behandlung seiner Gefangenen: "Wir stopfen sie mit religiösen Anleitungen voll und gehen ihnen<br />

Arbeit, damit sie keine Zeit haben zu Diskussionen." Und <strong>als</strong> seine "erzieherische Aufgabe" legte er<br />

ein Vier-Punkte-Programm fest:<br />

1. "Wir müssen ihre Gedanken von den Kommunisten zurückgewinnen, 2.Wir<br />

müssen sie dazu bringen, richtige Indonesier zu werden, aufgebaut auf den<br />

indonesischen Verfassungsgrundsätzen. den Panca-Sila-Prinzipien -nämlich<br />

Glaube an Gott, Nationalismus., Menschlichkeit, Demokratie und soziale<br />

Gerechtigkeit.<br />

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