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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Westberlin ist eine ihrer Hochburgen. Denn jeder zehnte Einwohner gilt <strong>als</strong> Ausländer, auch wenn<br />

er seit Jahrzehnten an der Spree lebt, seine Kinder geboren wurden.<br />

"Türken raus" kritzelten Einheimische an ihre Pissecke. "Türken sind Penner", sagt<br />

Alfons, der Taxifahrer. Und Penner ist das schlimmste Schimpfwort zwischen Kreuzberg und<br />

Wedding. Die Folge: Gettos entstehen, weil sich eingefleischte Vorurteile und Berührungsängste<br />

einander abwechseln. Für Touristen-Unternehmen allerdings sind Gettos im uniformierten<br />

Deutschland interessant, man wenigstens eine Sightseeing-Tour durch Kreuzberg Exotik<br />

versprechen, und ein Blick über die düstere Mauer inbegriffen. Jedenfalls kurven tagtäglich<br />

fortwährend Doppeldeckerbusse durch die Naunynstraße, dass sie nunmehr eine Sackgasse hergibt.<br />

Auch für die SPD, die gerade dort ihren traditionsreichen Ortsverein auflösen musste - zu viele<br />

Türken, zu wenig Sozialdemokraten Berliner Prägung aus dem ehedem legendären Facharbeiter-<br />

Milieu.<br />

Berlin, was nun? Negativ-Schlagzeilen sind der Stadt allemal sicher. Und dennoch sagen<br />

ihre Zukunftsforscher eine positive Entwicklung voraus. Hans Buchholz, Geschäftsführer der<br />

Gesellschaft für Zukunftsfragen, glaubt:<br />

• Verschiedene Berliner Stadteinheiten, die räumlich und historisch gewachsen sind,<br />

werden zu Stadtinseln gruppiert,<br />

• Natur- und Grünstreifen trennen diese Stadtinseln stehen "Mobile Homes" <strong>als</strong><br />

Alternative zum innerstädtischen Wohnen. In diesen Grüngürteln gibt es Sport,<br />

Erholungs- und Freizeiteinrichtungen sowie Schrebergärten.<br />

Berlin, am Anfang des dritten Jahrtausends, wird eine Metropole mit der modernsten<br />

Technologie sein. Kabelfernehen, Satelliten-Anschlüsse, sind selbstverständlich. Lokalprogramme<br />

senden rund um die Uhr, DSL-Internetverbindungen, On-line Einkäufe gehören zum Alltag.<br />

Fernheizungen versorgen alle Wohnungen, Solardächer. Die U-Bahn fährt nur noch<br />

computergesteuert. Das Benzinauto ist aus der City verbannt und durch Elektrocars ersetzt. Ein<br />

großer Teil der Straßen ist in Fußgängerbereiche umgewandelt - auch der Kudamm. Windräder und<br />

Sonnenkollektoren zieren die Dächer. Die Energieversorgung der Stadt ist rationell und vorbildlich.<br />

Die Stadtsanierung wird im Jahr 2005 abgeschlossen sein. Die Ästhetik des Stadtbildes ist erhalten,<br />

wenn nicht verbessert.<br />

Vielleicht können schon in zehn bis zwanzig Jahren Westberliner in DDR-<br />

Naherholungsgebieten ihr Wochenende verbringen, wird der berüchtigte Wannseekoller eine vage<br />

Erinnerung sein. Und schon wieder gibt es wieder Bonner Politiker, die sich für Westberlin<br />

verheißungsvolle Zukunftsvisionen ausmalen, gar ins Schwärmen geraten. Westberlin, eine<br />

internationale Drehscheibe in der Ost-West-Beziehung, eine zollfreie Stadt, ein Messezentrum, ein<br />

Umschlagplatz der Konsumgüterindustrie. Profitieren sollen sie alle von dem neuen Handelsplatz,<br />

die Comecon-Staaten ebenso wie die EU-Länder. Wird Westberlin eines Tages wieder Hauptstadt<br />

mit Regierung und Parlament? Das wohl nicht oder dann doch? Und wenn, dann nur eine<br />

europäische, eine multikulturelle Metropole verschiedener Sprachen, Ansichten, Eigenarten,<br />

Temperamenten Lebensansprüchen - Lebensgewohnheiten.<br />

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