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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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größeres Geschäft und ein größeres Haus. Als das nichts nützte, drohten sie, Haus und Laden<br />

meiner Eltern in die Luft zu sprengen. Am zweiten Tag nach meiner Verhaftung machten sie ihre<br />

Drohung wahr: Sie sprengten vor meinen Augen das Haus meiner Eltern, den Laden am Arjoun-<br />

Platz in der Altstadt von Nablus."<br />

"Später wurde ich Frauen gegenübergestellt, die mich bezichtigten, ihre Söhne in die<br />

PFLP gelockt zu haben. Als man mich zurück ins Verhörzentrum gebracht hatte und ich weiter<br />

stumm blieb, begann die richtige Folter. Zuerst knallten die Polizisten mir mit der hohlen Hand auf<br />

die Ohren, bis Blut kam und ich nichts mehr hören konnte. Dann zogen sie mich aus und legten<br />

mich mit dem Rücken auf einen Tisch. Ein Polizist nahm einen längeren Operationsfaden, wie ihn<br />

Chirurgen gebrauchen, und band das eine Ende stramm um meinen Hodensack. Das andere Ende<br />

spannte er an einen Nagel, der in das Tischende geschlagen war. Dann fragten die<br />

Geheimpolizisten abwechselnd solche Fragen: 'Willst du je noch Kinder kriegen?' oder 'Du<br />

brauchst gar nicht mehr zu heiraten, wenn du nichts sagst. Wir schneiden dir die Eier ab.' Dabei<br />

zeigte mir ein Geheimpolizist ein Messer. Damit fuchtelte er über meinen Genitalien herum. In<br />

dem Moment kam ein anderer Offizier in das Zimmer und flehte ironisch: "Schneidet es ihm nicht<br />

ab, ich garantiere euch, dass er aussagen wird.'<br />

Um nicht gefoltert zu werden, nannte ich diesem Offizier einige Namen von Genossen,<br />

die schon über den Jordan geflüchtet waren. Außerdem bekannte ich mich zur PFLP. Sie waren<br />

nun zufrieden und ließen mich einige Tage in Ruhe."<br />

"Doch mit der Zeit schnappten die Israelis Genossen, die von mir Sprengstoff erhalten<br />

hatten. Nicht alle blieben in den Verhören stumm. Ich kann ihnen keinen Vorwurf daraus machen,<br />

dass sie mich bezichtigten. Aber für mich begann damit wieder die Folter. Das beliebteste und<br />

immer wiederholte Mittel war, dass man mich - nackt mit gefesselten Händen an einen Flaschenzug<br />

hoch unter die Decke zog, so dass gerade sich meine Zehenspitzen auf dem Betonfußboden<br />

standen. Entweder wurde mir dann mit einem Gummischlauch auf den Rücken geschlagen oder,<br />

auch dafür gab es einen Spezialisten, man machte kleine Kratzer und Einschnitte in meine<br />

Zehenspitzen. Die bluteten und schwollen an, während ich so an der Decke hing. Um, wie sie<br />

sagten, meine Schmerzen zu lindern, ließen sie mich herab und steckten meine Füße in eiskaltes<br />

Salzwasser. Es schmerzte bestialisch."<br />

In diesen Monaten wurde ich häufig in andere Gefängnisse verlegt. Schließlich wurde ich<br />

im Ramla eingeliefert. Dort kam ich in die berüchtigte 'schwarze Zelle', in der Adolf Eichmann<br />

gesessen hatte und die ferngesteuert geöffnet und geschlossen wird. Und alle drei Tage wurde dann<br />

gefoltert. Nach und nach wurden mir die Zähne einzeln ausgerissen ohne Narkose und so, dass oft<br />

noch Splitter im Gaumen blieben, der vereiterte."<br />

"Vierzehn Monate nach meiner Verhaftung wurde mein Zustand immer schlimmer, ohne<br />

dass ich Medizin bekam. Deshalb trat ich in einen Hungerstreik. Am fünften Tag banden sie mich<br />

auf einen Stuhl und fütterten mich zwangsweise, Medizin erhielt ich trotzdem nicht. Ich magerte<br />

weiter an und schließlich konnte ich - nach einem Kreislaufkollaps -auch nicht mehr sprechen. Da<br />

verlegten mich die Wärter in den Irren-Trakt des Gefängnisses von Ramla. Erst sechs Wochen<br />

später kam ich in ein Krankenhaus. Mein rechtes Augen war inzwischen erblindet. Um mein linkes<br />

Auge zu retten, wurde ich operiert. Danach konnte ich mit diesem Auge verschwommen etwas<br />

sehen. Es erblindete freilich dann auch noch, denn am 15. Juli 1970, genau einen Tag vor der von<br />

einem Mitglied des Roten Kreuzes erwirkten Entlassung aus Krankheitsgründen schlug mir ein<br />

Polizist mit geballter Faust auf dieses Auge und zischte dabei. "Damit du nie wieder Sprengstoff<br />

sehen kannst!"<br />

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