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MISSHANDELTE FRAUEN - GEWALT IN FAMILIEN<br />

Arbeitslosigkeit, Versager-Ängste - soziale Miseren führen in Frankreich zu immer<br />

mehr Gewaltausbrüchen gegen Frauen. "Er schlägt Sie - lehnen Sie Gewalt ab", heißt es<br />

überall auf einem Plakat des Amtes für Frauenrechte. Es will aufmerksam machen auf<br />

einen verdeckten Notstand: Männer-Gewalt gegenüber Frauen. - S.O.S. - Über 35.000<br />

Französinnen sind auf der Flucht - Angst vor Schlägen, Vergewaltigungen, Demütigungen.<br />

Jede siebte Frau ist Opfer sexueller Übergriffe. - Immerhin: Vierzig Frauenhäuser bieten<br />

Schutz. Über 150 Organisationen geben für Frauen-Klagen vor Gericht Rechtshilfe. Dabei<br />

dreht es sich nicht um Horrorvisionen aus der Kinowelt. Es handelt sich um französische<br />

Alltäglichkeiten - versteckt, bagatellisiert, verschwiegen, verharmlost. Frauen-<br />

Misshandlungen<br />

Frankfurter Rundschau 31. Mai 1997<br />

Die Alltäglichkeit der Gewalt vermittelt sich im Pariser Osten, genauer gesagt im 11.<br />

Arrondissement mit scheinbar beruhigend monotoner Stimme. Insgesamt 58 Anrufe , Frauen-<br />

Notrufe, gehen täglich im ersten Frauenhaus der französischen Republik in der Cité Prost Nr. 8<br />

ein. Das sind immerhin 95.000 Hilfsappelle bei der Frauenorganisation "Solidarité des femmes" in<br />

viereinhalb Jahren. Und all diese Telefonate drehen sich immer wieder um den gleichen<br />

Tatbestand. "Violence et Viol"; Gewalt und Vergewaltigung, geschlagene, geschundene Frauen -<br />

Etappen der Gewalt, die gewöhnliche Männer-Gewalt im Frankreich dieser Tage, Jahre,<br />

Jahrzehnte.<br />

Die 38jährige Telefonistin Isabelle führt dir Telefonstatistik, weil es in puncto<br />

Männergewalt weder eine offizielle Datenerhebung noch aussagekräftige Faktensammlung in der<br />

Regierung zu geben scheint. Das ist schließlich auch der Grund, warum gleich neben der<br />

Telefonzentrale und der Bettwäscheausgabe im Frauenhaus die frühere Kindergärtnerin Christine<br />

Poquet nunmehr wöchentlich sämtliche Zeitungen der Republik auf der Suche nach Gewalt in<br />

Familien, Brutalität gegen Frauen auswertet. Christine meint: "Irgendwie müssen wir hier immer<br />

noch den absurden Beweis antreten, dass es zwischen Menschenrechten und dem Status einer Frau<br />

einen kausalen Zusammenhang gibt.<br />

Es reicht nicht, dass wir zusammengeschlagen werden. Wir müssen es auch noch<br />

zweifelsfrei beweisen." Und Kollegin Monique Bergeron, die ebenfalls fleißig mit ausschnippelt,<br />

ergänzt: "Wer diese Berichte hintereinander liest, glaubt an Horror-Visionen in Filmen - nur nicht,<br />

dass derlei Männer-Übergriffe Tag für Tag in Frankreich passieren. Letztendlich ist es die rohe<br />

Form der Machtverhältnisse. Unsere französische Gesellschaft ist krank und erlaubt solche<br />

Gewaltform. Handgreiflichkeiten gegen Frauen - das ist keine bedauerliche Panne des Mannes,<br />

sondern eine gesellschaftliche Erscheinung: ein Virus dieser Jahrzehnte."<br />

Immerhin wissen jene beherzten Frauen zu berichten, dass es in Frankreich eine jährliche<br />

Dunkelziffer von nahezu vier Millionen Frauen gibt, die geschlagen und vergewaltigt werden,<br />

körperliche Verletzungen davontragen. So seien in Frankreich durchschnittlich etwa 35.000 Frauen<br />

auf der Flucht - aus Angst vor Schlägen, Demütigungen. In jeder fünften Ehe, so schätzen sie bei<br />

"Solidarité des femmes", erzwingen sich Frankreichs Männer mit Gewalt den Beischlaf. In<br />

Deutschland ist nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums jede siebte Frau Opfer sexueller<br />

Übergriffe. Frauen sind demnach in ganz Westeuropa von sexueller Gewalt mehr bedroht <strong>als</strong> durch<br />

andere Schwerdelikte wie Raub oder Wohnungseinbrüche.<br />

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