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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Buchdeckel gepackten Spickzettel verblasster Zyklen. Wenn es nur bei der Augenhöhe geblieben<br />

wäre - sie hätte sich mit ihrem Mätressen-Mythos, aber auch ihrer Familie daheim einen großen<br />

Gefallen getan.<br />

Unterdessen steht an Ossis Bundeshaus-Bar Kleinerts Freund Helmut Herles von der<br />

"Frankfurter Allgemeinen Zeitung" neben seinem Matador. Auch Herles zählt zum Schnaps-<br />

Klüngel, er wirkt auf mich, <strong>als</strong> verführe er nach dem Motto: Ich kriege die Gerüchte, und du<br />

bekommst bei nächster Gelegenheit in die FAZ.<br />

Herles, einst Berichterstatter beim Vatikan, klagt Kleinert sein Leid über den immensen<br />

Druck der Frankfurter Zentralredaktion, dass da die schreiberische Konkurrenz groß sei, dass er<br />

eben nicht alles so durchbekomme, wie sie es sich hier in der Bundeshaus-Bar so ausmalen. Nur<br />

fehlt dem baumlangen Kleinert nach diesem strapaziösen Arbeitstag zwischen Theke und<br />

Ausschusssitzungen einfach der Nerv. Er will "anständige Berichte" sehen und sonst gar nichts.<br />

Herles antwortet seinem Kleinert, dass er ja oft über "menschliche Situationen" schreibe,<br />

damit diese von den großen Ereignissen hier in Bonn nicht zugeschüttet werden. Dass seine<br />

Politiker etwas mit der Macht zu tun haben, das erwähnte er häufig gar nicht mehr. Er, Herles,<br />

habe sich längst darauf verständigt, die kleine, oft mickrige Welt auf die große Bonner Bühne zu<br />

zimmern, wie ja schon Walter Boehlich (*1921+2006) über ihn in der Satire-Zeitschrift "Titanic"<br />

zu Recht geschrieben habe. Ja, ja, die kleine Welt <strong>als</strong> große Bühne." ... ... gespielt werden auf ihr vor<br />

allem Stücke, die niemanden, und schon gar nicht der staatstragenden FAZ, weh tun: Komödien<br />

und wenn es hoch kommt, allenfalls Provinzpossen, beileibe keine Stücke von Mord und Gewalt<br />

und Verschwörung, keine Eifersuchtsdramen, keine Tragödien."<br />

"Herr Herles", hat einmal ein Frankfurter Kollege zu ihm gesagt, "Sie sind doch ein<br />

Insider, Sie kennen Bonn doch wie ich meine Westentasche, Sie schreiben doch immer so hübsche<br />

Geschichten über die Bonner Zustände - und dabei sind Sie äußerst vorsichtig bedacht mit Ihren<br />

Formulierungen aus hätte und wäre, würde und könnte ...".<br />

Folglich widmet Kleinert seinen siebten Trinkspruch dem Nachrichtenmagazin "Spiegel",<br />

dessen Artikel ihn schon so manches Mal in Weißglut versetzten, die er <strong>als</strong> unflätig abtut. "Prost,<br />

Prost meine Herren, wer liest heutzutage noch den 'Spiegel', nicht einmal mehr Agnes Miegel."<br />

Trinkspruch Nummer acht: "Nun lasst uns noch einen verlöten, vielleicht gehen wir morgen schon<br />

flöten." Trinkspruch Nummer neun: "Ach, wie schon ist die Lütje Lage, sie rinnt so munter den<br />

Schlund herunter."<br />

Bemerkenswert dieses Trink-Szenario, dachte ich, und das manchmal auch schon zur<br />

Mittagszeit, während im Plenum die Gemüter sich in künstlicher Aufgeregtheit langweilen. Gerade<br />

jene FDP-Politiker-Klasse, die in der Öffentlichkeit gerne von der "leistungsorientierten<br />

Wohlstandselite" spricht, ähnelt in Ossis Bundeshaus-Bar einem Vertreter-Kegelverein aus einer xbeliebigen<br />

Vorstadt.<br />

Den 55jährige Rechtsanwalt Detlef Kleinert kenne ich schon seit fast zwanzig Jahren.<br />

Dam<strong>als</strong>, auf einer FDP-Wahlveranstaltung in Hannover, erlebte ich ihn zum letzten Mal. Es war<br />

eine gut besuchte Versammlung, in der die Liberalen ihre Klientel für die neue Ostpolitik der<br />

Regierung Brandt/Scheel gewinnen wollten. Neugierig waren die Leute, diskutieren wollten sie.<br />

Zumindest solange, bis Kleinert sich <strong>als</strong> Hauptreferent - direkt aus Bonn mit Verspätung kommend<br />

- auf den Weg machte.<br />

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