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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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gefesselt fühlende Mutter zu verleugnen mag zwar einem idealtypische Wunschdenken genügen,<br />

erleichtert aber weder Müttern noch Kindern das Leben. Es erspart freilich der Gesellschaft, sich<br />

zu verändern."<br />

In Deutschland waren es politisch markante Frauen-Verhinderungsjahre - bewusst<br />

geförderte Heim-und-Herd-Zuweisungen aus der Politik, die das Land um Jahrzehnte<br />

zurückwarfen. Über Jahre, Jahrzehnte stets dieselbe Ausgangslage: geringere Qualifikation;<br />

mangelnde Teilhabe an Berufen in Industrie wie Handel, kaum Ganztagsschulen, Frauen-Leicht-<br />

Lohn,schlechte Bezahlung. Unverständlich, dass FDP-Politiker Jörg -Ulrich Vandreier kein Wort<br />

über spezifische gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge besagter Aufbau-Epoche verliert. -<br />

Fehlanzeige.<br />

Mit seinen narzisstischen Mama-Betrachtungen und wehmütig verklärten Blicken wirkt<br />

das Büchlein wie eine schlechte Kopie von F. C. Delius Schilderung aus den Fünfzigern: "Der Tag<br />

an dem ich Weltmeister wurde." Gelegentlich fühlt sich der Leser in die Rolle eines stillen<br />

Beobachters seiner Psycho-Therapie-Stunde hineinversetzt. "Nenndorfer Gespräche" nannte der<br />

Autor das einmal. Er ,das Hilfe suchende Bübchen, "Uli" genannt, bei seinen tiefenpsychologisch<br />

ergründeten Couch-Plaudereien (Krankenkassen-Vollkasko) im Städtchen Bad Nenndorf. Sein<br />

Gegenüber - natürlich eine Frau - hatte gemeinsam mit "Uli" herauszufinden, "an welchen Punkt<br />

meines Lebens mein Selbstbewusstsein einen Knacks bekommen hatte". Kärrnerarbeit. Mutter und<br />

kein Ende. Vandreier rechtfertigt sich: "Ja, ja, gewiss doch, meine Mutter sah für ihre 45 Jahre sehr<br />

gut aus. Dunkles, welliges Haar, lebhafte, grau-grüne Augen, ein freundliches, leicht slawisch<br />

wirkendes Gesicht und eine wohlgeformte Figur verliehen ihr Anmut und Charme. Sie war stets<br />

auf ihr Äußeres bedacht und kleidete sich trotz der begrenzten finanziellen Mittel wie sie es <strong>als</strong><br />

Großstädterin gewohnt war: Sportlich, elegant und geschmackvoll." - Nur Mama-Jahre?<br />

Weiter im Originalton: "Meine Mutter war vor dem Kriege in der Landwirtschaftskammer<br />

Stettin gewesen. Ich stellte mir in Gedanken vor, wie sie den ganzen Tag an einer solchen<br />

Schreibmaschine saß - für Tierärzte schrieb. Unwillkürlich musste ich an die Männer-Namen<br />

Pümeyer und Niemann denken und daran, wie begehrt sie dam<strong>als</strong> war; Nebenbuhler um die Mama-<br />

Gunst zu schwerer Stunde. Naheliegend, dass der Autor seine Mutter in diesem Zusammenhang<br />

fragen lässt, was denn überhaupt Heimat sei? Die Wiesen, die Felder von einst, die Marsch-Äcker<br />

von heute? Achselzucken. Traurig schauen die Frauen drein - Mutter, Großmutter, Tante ,<br />

Schwester inbegriffen. Vor ihnen sitzt Sohnemann "Uli". Nur er hört den Weltschmerz bibbern.<br />

Solch rührselig angedichtete Textpassagen eignen sich aberm<strong>als</strong>, einen Blick in Bücher<br />

kompetenter Kenner seelischer Deutungen, emotionaler Aufarbeitungen zu riskieren. Der<br />

Gießener Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter (Der Gotteskomplex, Rowohlt, 1979) hätte<br />

"Uli" Vandreier "reaktionäre Überkommenheit" konzediert. Richter formulierte: " In der deutschen<br />

Romantik (Ende des 18. bis weit in das 19. Jahrhundert) gewann das Bild der Frau tatsächlich eine<br />

wichtige Rolle. Aber bei genauen Hinsehen stellte sich heraus, dass es genau um jene männliche<br />

narzisstische Verklärung des Frauenbildes handelt (ähnlich wie beim Autor) die gerade nicht dazu<br />

geeignet war, den Status der Frauen zu verändern.<br />

Diese "gefühlshaften Innerlichkeiten" sind in Europa vornehmlich den Deutschen<br />

vorbehalten. Es sind meist "gestandene" Männer, die des Abends an der Biertränke entweder vor<br />

"Madagaskar liegend die Pest" besingen oder gefühlstriefend ihrer Mama verflogener Jahre<br />

nachempfinden, Jörg-Ulrich Vandreier inklusive. Spätestens auf Seite 109 des "Honigblumen-<br />

"Buches ("Nun, etliche Jahre später, saß meine Mutter mit ihrer kleinen schwarzen Tasche endlich<br />

wieder vor mir") drängt sich für interessierte Leser die Frage auf, wen es hier eigentlich zu<br />

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