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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Dabei waren die 18 Jahre, die er in der Bundesrepublik lebt, alles andere <strong>als</strong> ein<br />

Spaziergang. Das belegen Leitz-Ordner in Sachen Einbürgerung, die sich in seinem Bücherregal<br />

neben Heinrich Bölls "Katharina Blum" und der John O'Haras "Träume auf der Terrasse" stapeln.<br />

Als Iraz Chahedi 1962 auf dem Frankfurter Flughafen landete, hatte er gerade fünf Jahre<br />

<strong>als</strong> Forstingenieur im Wüstengebiet 2.000 Kilometer südwestlich von Teheran gearbeitet - eine<br />

Strafversetzung durch den iranischen Geheimdienst, weil Chahedi dem Schah-Regime <strong>als</strong><br />

"Sicherheitsrisiko" galt. Der Apotheker heute: "Ich wollte in der Wüste nicht stumpfsinnig werden,<br />

ich wollte nicht wie viele meiner Freunde in Teheran am Opium verrecken. Ich wollte in ein Land<br />

mit Zukunft." In der Bundesrepublik glaubte er es, gefunden zu haben. Ein Sparkassen-<br />

Werbespruch aus den fünfziger Jahren wurde zu seinem Leitmotiv. "Haste was, biste was."<br />

Chahedi wiederholte sein Abitur und beendete nach vier Jahren sein Pharmazie-Studium<br />

in Kiel. In seiner Freizeit sortierte er auf dem Fischmarkt Kisten, las in Häusern Gas ab oder half in<br />

Apotheken. Schon 1971, Schähend hatte sein Examen <strong>als</strong> approbierter Apotheker bestanden,<br />

wollten ihn die deutschen Behörden in den Iran abschieben. Denn nach dem<br />

Entwicklungshilfeabkommen zwischen beiden Ländern müssen die an den bundesdeutschen<br />

Universitäten ausgebildeten Iraner die erworbene Qualifikation in ihrem eigenen Land einbringen.<br />

Chahedi weigerte sich jedoch zurückzukehren. Er war der Meinung, "ein Land, das mir nichts<br />

gegeben hat, nicht einmal en Stipendium, ist für mich keine Heimat mehr".<br />

Mit der tatkräftigen Unterstützung des Plöner CDU-Kreisvorsitzenden Wolf-Dieter<br />

Krause - auch er Apotheker - gelang es Chahedi, seine Aufenthaltsdauer zwei Mal um zwei Jahre zu<br />

verlängern. Doch sein Wunsch, in dieser Zeit <strong>als</strong> approbierter Apotheker selbstständig arbeiten zu<br />

können, blieb Illusion. Lediglich <strong>als</strong> "Helfer" bekam er eine Arbeitserlaubnis. Sie kam ihm einem<br />

"Berufsverbot" gleich. "Das ist doch genauso, <strong>als</strong> wenn ein Arzt im Krankenhaus zum Pfleger<br />

degradiert wird."<br />

Dennoch verkaufte er beim Apotheker Krause fleißig Tropfen und Tinkturen. Um seine<br />

für 1975 angekündigte Ausweisung zu unterlaufen, hatte er bereits 1974 einen Asylantrag gestellt.<br />

Darin machte er geltend, ein politisch Verfolgter zu sein, der in der nationalen Jugendbewegung<br />

des früheren sozialistischen Ministerpräsidenten Mossadegh gekämpft habe.<br />

Er sei ein Mann, der 1961 vom Geheimdienst verhaftet und drei Mal bewusstlos<br />

geschlagen worden sei, den die Teheraner Presse gar <strong>als</strong> flüchtig vermeldet habe. Ein Mitarbeiter<br />

des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), der ihn daraufhin im Schleswig-<br />

Holsteinischen besuchte, riet Chahedi dringend ab, auf seinem Antrag zu bestehen. Sein Gesuch<br />

hätte ohnehin wenig Chancen, zudem würde der persische Geheimdienst SAVAK kontinuierlich<br />

über Asylbegehren seiner Landsleute unterrichtet. Chahedi ließ sich nicht beirren, aber sein Antrag<br />

wurde abgelehnt, und die Behörden forderten ihn 1975 auf, unverzüglich die Bundesrepublik zu<br />

verlassen.<br />

Doch Chahedi ("ich bin ein Löwe") wäre nicht Chahedi, hätte er nicht eine neue Variante<br />

parat gehabt. Kurzerhand ging er mit einer Helferin aus der Krause-Apotheke eine Ehe ein und<br />

präsentierte die Heiratsurkunde dem Plöner Kreisordnungsamt. Der Ordnungsbeamte zu Chahedi:<br />

"Was wollt ihr denn eigentlich hier, warum geht ihr nicht nach Hause. Ihr wollt doch nur unsere<br />

Mädchen kaputtmachen." Chahedi zum Ordnungsbeamten: "Das machen die Belgier und<br />

Franzosen wohl nicht. Nein, die machen eure Mädchen glücklich." Die neue<br />

Aufenthaltsgenehmigung jedenfalls war ihm sicher, die eingegangene Vernunftehe, "die größte<br />

psychische Belastung in meinem Leben".<br />

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