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Seit Monaten fighten die Jusos-Fraktionen um die wahre Ideologie. In Hamburg und<br />

Berlin bildete sich eine radikale Gruppe, die auf einer Volksfront mit Kommunisten beharrt und<br />

die derzeitige Wirtschaftsordnung <strong>als</strong> ein System begreift, in dem sich der Staat nur noch <strong>als</strong> Diener<br />

oder <strong>als</strong> "Büttel" der Großindustrie ("Staatsmonopolistischer Kapitalismus") begreift. Die<br />

rebellischen "Antirevisionisten", eine Gruppe von Hannoveraner Studenten, gehen weiter. Sie<br />

halten die SPD eigentlich für überflüssig, weil sie <strong>als</strong> Regierungspartei in Bonn nur "das bestehende<br />

kapitalistische System stabilisiert", so ihr Sprecher, der Jura-Student Gerd Schröder (Bundeskanzler<br />

1998-2005). Er und die Seinen wollen in den Betrieben und Schulen gegen das Großkapital<br />

agitieren.<br />

Streitereien und Abspaltungen innerhalb der Jungsozialisten will nunmehr eine rothaarige<br />

Junggenossin verhindern: Heidi-Wieczorek-Zeul, 30, (Bundesministerin für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit 1998-2009) Chefin des Juso-Bezirks Hessen-Süd, wird in München die Nachfolge<br />

des angepassten Wolfgang Roth antreten. Die Rüsselsheimer Gesamtschullehrerin gilt unter den<br />

Sozialdemokraten <strong>als</strong> engagierte Politikerin, die vor keinem Konflikt in und mit der Partei<br />

zurückschreckt. Sie will den frustrierten Junggenossen, die auf Kongressen "zum totalen<br />

Ausflippen in eine endlose Grundsatzdiskussion neigen" (Johano Strasser) mit markigen Sprüchen<br />

zur schnellen Eintracht treiben: "Wir praktizieren die Zusammenarbeit mit Kommunisten , wenn<br />

es darum geht, in konkreten Aktionen gemeinsam gegen antidemokratische Tendenzen zu<br />

kämpfen."<br />

Doch solche Äußerungen der "roten Heidi" (Partei-Jargon) stehen in krassem Gegensatz<br />

zu den geheiligten Grundsätzen der SPD, wonach eine Kooperation mit Kommunisten in jedem<br />

Fall "streng verboten ist und zu einem Parteiausschlussverfahren führt", wie SPD-<br />

Vorstandssprecher Lothar Schwartz versichert.<br />

Auf dem kommenden Bundeskongress in München werden die leidigen<br />

Abgrenzungsprobleme der Jusos zu den Kommunisten freilich zweitrangig sein. Strasser: "Keine<br />

müßigen Streitereien um die richtige Weltanschauung." Unter dem Druck der nach links<br />

abgewanderten Basis will der Bundesvorstand konkret arbeiten. Auf einem geheimen Treff im<br />

Seehotel in Romanshorn am Bodensee einigten sich die Genossen über Weihnachten auf<br />

"Maßnahmen", die die "sozialdemokratische Regierungspolitik zu verwirklichen hat".<br />

Die Bundesregierung soll ultimativ aufgefordert werden, die Kontrolle und Lenkung von<br />

Investitionen "global" einzuführen und die Macht der Unternehmer mit direkten Eingriffen zu<br />

beschneiden. Ein Katalog, der die "Arbeitsmarktpolitik" der Bundesanstalt für Arbeit oder auch die<br />

"Änderung des Bundesbankgesetzes" einschließt, soll die Gesamtpartei zu "ersten Schritten" in<br />

Richtung auf Durchsetzung einer demokratischen Investitionslenkung veranlassen. Wie das alles in<br />

der Praxis aussehen könnte, wissen bislang nicht einmal die Jusos.<br />

Die Jusos drohen damit, ihren Parteivorsitzenden Willy Brandt (1964-1987) <strong>als</strong> Kanzler<br />

des Kapit<strong>als</strong> zu attackieren, wenn ihr Katalog nicht unverzüglich Programm der SPD wird. Wer<br />

"auf eine demokratische Investitionslenkung verzichtet", wirkt "zu Lasten der abhängig<br />

Beschäftigten". Damit verliert die Regierungspolitik ihre Legitimationsbasis", heißt es bei den Jusos.<br />

Jochen Steffen prophezeit: "Das wird der Sprengsatz für den nächsten Parteitag."<br />

Auf den neuen Konflikt hat sich die Partei noch nicht eingestellt. Bislang fällt der<br />

Parteirechten zu den Jusos nur Handgreifliches ein. Der Parteirechte, einst Münchner<br />

Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel zu Willy Brandt: "Ich rate dir, Strasser und Co. aus der<br />

Partei rauszuschmeißen." Und der eigens vom Bundeskanzler zur Beobachtung der SPD-<br />

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