07.02.2013 Aufrufe

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Für die war die Universität immer nur eine "marxistische-leninistische Kaderschmiede"<br />

(CDU-MdB Ernst Müller-Hermann; *1914+1994). Die Folge: Wegen der CDU-Propaganda<br />

schreckte die Industrie davor zurück, Forschungsaufträge nach Bremen zu vergeben.<br />

Hauptärgernis war den CDU-Politikern die an der Uni Bremen eingeführte<br />

Mitbestimmung für Studenten und nichtwissenschaftliches Personal. Neben den Hochschullehrern<br />

haben diese beiden Gruppen im Parlament (Konvent) und im Akademischen Senat (dem obersten<br />

Selbstverwaltungsorgan) zu gleichen Teilen Stimmrecht (Drittelparität). So können zum Beispiel<br />

Sekretärinnen oder Laboranten bei der Berufung von Professoren gleichberechtigt mitwirken,<br />

allerdings dürfen sie kein Votum zu deren wissenschaftliche Qualifikationen abgeben. Doch die<br />

Mitbestimmung stürzte die Universität jetzt in eine schwere Krise: Kaum hatten sich die Gremien<br />

konstituiert, kündigte der Kommunistische Studentenbund an: "Wir werden das ideologisch<br />

nutzen." Dazu Immanuel Geiss: "Die totale Politisierung ging so weit, dass im<br />

sozialwissenschaftlichen Eingangsstudium auf nicht-sozialistische Studenten Druck ausgeübt<br />

wurde, Karl Marx und Stalin nachzubeten."<br />

Im Bereich Kunst/Ästhetik untersagte der paritätisch aus Hochschullehrern und<br />

Studenten zusammengesetzte Studienbereichsrat Professor Gert Duwe eine Exkursion in den<br />

Nordsee-Ort Neuharlingersiel. Duwe wollte ab der Küste mit seinen Studenten Kontrast-Malerei<br />

üben. Die Maoisten behaupteten, dass "Professor Duwe sich auf Uni-Kosten einen schönen Urlaub<br />

machen wollte", und rieten dem 47jährigen Hochschullehrer, er solle doch lieber einmal in den<br />

Bremer Hafen ziehen und seine Studenten die ausgebeuteten Arbeiter der AG Weser malen lassen.<br />

In den Arbeitsbereich Politik, Soziologie und Lehrerausbildung wurde monatelang<br />

darüber diskutiert, welcher "gesellschfatspolitischer Ansatz" für das Studium der Richtige sei. Der<br />

Grund für die Misere: Ursprünglich sollte die Hochschule erst im Winter-Semester 1972/74 ihre<br />

Pforten aufmachen. Darauf war die gesamte Planung ausgerichtet. Doch Studienplatz-mangel und<br />

politisches Prestige trieben Bremens SPD-Politiker zu einer überstürzten Universitäts-Eröffnung<br />

im Jahre 1971.<br />

Die Folge: Weder Hochschullehrer noch Studenten wussten genau, an welche Lehr- und<br />

Lerninhalte sie sich zu halten haben und welches Wissen für die Abschlussdiplome entscheidend<br />

ist. Denn Studien- und Prüfungsordnungen mussten erst noch erarbeitet werden. 1973 gestand<br />

Uni-Kanzler (Verwaltungschef) Hans Heinrich Maaß: "Das gesamte Wintersemester ist in die Hose<br />

gegangen."<br />

Einig waren sich Hochschullehrer und Studenten von Anfang an darin, dass<br />

Prüfungsarbeiten nicht mit den "spalterischen Zensuren des kapitalistischen Leistungssystems"<br />

beurteilt werden dürfen. In Bremen sollte es deshalb ursprünglich nur zwei Noten geben:<br />

bestanden oder nicht bestanden. Als Bildungssenator Moritz Thape ("Die Universität ist auf dem<br />

besten Weg, ihre Reputation zu verspielen") die Hochschullehrer dennoch dazu zwang, Zensuren<br />

zu geben, wurden beispielsweise im Promotionsausschuss für den Doktor der Philosophie (Dr.<br />

phil.) einfach 80 Prozent der Dissertationen mit den sonst höchst seltenen Spitzennoten "summa<br />

cum laude" (ausgezeichnet mit höchstem Lob) und "maga cum laude" (sehr gut mit großem Lob)<br />

benotet und so der Erlass des Senators geschickt unterlaufen.<br />

Auch die Zulassungspraxis von Nicht-Abiturienten zum Hochschulstudium brachte das<br />

"Bremer Modell" unnötig in Verruf. Prüfungsthemen wurden den Bewerbern vorher zugespielt,<br />

sodass viele die Klippe mit Bravour meisterten. Senator Moritz Thape (1965-1985): "Ich musste<br />

mehrfach die Themen wechseln, weil sie schon bekannt waren." Deshalb wurde das<br />

153

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!