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KANZLER-STURZ WILLY BRANDT, OSTVERTRÄGE UND<br />

EIN FDP-POLITIKER NAMENS WILHELM HELMS IM<br />

RAMPENLICHT – AUS DEUTSCHEN LANDEN DER<br />

ZEITGESCHICHTE<br />

Ein bis dato unbekannter Bauer aus dem niedersächsischen Bissenhausen wollte<br />

zu Beginn der siebziger Jahre deutsche Nachkriegs-Geschichte schreiben, gar<br />

Bundeskanzler Willy Brandt (1969-1974) stürzen – die auf Entspannung bedachte<br />

Ostpolitik der sozialliberalen Koalition aus den Angeln hebeln – Wilhelm Helms, Mitglied<br />

des Deutschen Bundestages in der 6. Wahlperiode, erst in der FDP-, dann <strong>als</strong> Gast in der<br />

CDU/CSU-Fraktion. Dam<strong>als</strong> in seiner ersten Amtszeit, konnte sich Willy Brandt<br />

(*1913+1992) im Bundestag nur auf die rechnerische Mehrheit von zwölf Stimmen stützen.<br />

Doch diese Majorität schmolz zusehends zusammen. Überläufer, Übertritte – ein Polit-<br />

Spektakel erhitzte seinerzeit vielerorts aufgebrachte Gemüter. Schon bei seiner ersten Wahl<br />

zum Bundeskanzler im Oktober 1969 hatte der SPD-Vorsitzende gerade mal zwei Stimmen<br />

mehr <strong>als</strong> notwendig bekommen. Schon ein Jahr später – 1970 – liefen drei FDP-<br />

Bundestagsabgeordnete zur CDU über.<br />

Am 23. April 1972 erklärte sodann auch der FDP-Abgeordnete Wilhelm Helms in<br />

seiner „Stunde der Wahrheit“ seinen Parteiaustritt; unter anderem mit der Begründung<br />

gegenüber dem Autor: „Irgendwas mache ich mal, dann komme ich schon groß heraus.“<br />

Das Schicksal der ersten sozialliberalen Koalition stand auf dem Spiel.<br />

Landwirtschaftsminister Josef Ertl (*1925+2000) und Innenminister Hans-Dietrich<br />

Genscher eilten zu Wilhelm Helms nach Bremen. Der aber sagte stereotyp seinen<br />

prominenten Parteifreunden, er habe die Missachtung wie auch die Geringschätzung<br />

seiner Person in Bonn satt. Respekt wolle er, Anstand sei gefragt. Wenigstens einmal<br />

möchte er, der Bauer aus Bissenhausen, vom Fraktionschef der CDU/CSU, Dr. Rainer<br />

Barzel (*1924+2006) empfangen werden. Possenspiel eines Hinterbänklers – die Republik<br />

hielt in jenen Tagen den Atem an.<br />

Frankfurter Rundschau vom 26. April 1972<br />

Eigentlich wollte Wilhelm Helms, so steht es zumindest in seinem Termin-Kalender, am<br />

Montagabend für die bevorstehenden Haushaltsberatungen im Bundestag einen Redetext<br />

ausarbeiten. Doch da sich die Bonner „Ereignisse derart überschlugen“, und er sich zudem bei der<br />

Bundestags-Verwaltung „erst einmal informieren will, welche politischen Möglichkeiten einem<br />

fraktionslosen Abgeordneten bleiben“, lässt der Ex-FDPler Helms Redetext und Sprechübungen<br />

sein. Er steht wetteifernden Journalisten nunmehr den dritten Tag atemlos Rede und Antwort – in<br />

eigener Sache versteht sich.<br />

Dies geschieht nicht etwa in Bonn, sondern weitab vom Schuss in seinem heimatlichen<br />

Bissenhausen, einem Dorf in der Grafschaft Hoya, das ganze fünf Bauernhöfe umfasst –<br />

Weltpolitik auf dem Acker. In der Pose eines Staatsmannes, der sich auf seinen Landsitz zurückzog,<br />

im Bewusstsein eine für die deutsche Bevölkerung wichtige Entscheidung getroffen zu haben, lehnt<br />

Wilhelm Helms sich in seinen Klubsessel zurück und beginnt zu erzählen, dass er die Bonner<br />

Politik nur zu genau kennt, so <strong>als</strong> sei er auf einer Versammlung des Landvolks. Helms-<br />

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