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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Zum Freizeit-Angebot gehören "Getränke und Speisen zu Lehrlingspreisen". Dortmunder<br />

Fallschirmspringer, die für 700 Mark kunstvolle Absprünge zeigen, und Beat-Gruppen, die für fast<br />

6.000 Mark internationale Hits spielen.<br />

Unter den Gästen machen FDJler aus Ostberlin, Rostock, Dresden und Magdeburg in<br />

ihren Blauhemden am meisten von sich reden. Ihre "Fest"-Beiträge ("Warum der Kommunismus<br />

den Kapitalismus besiegt") werden live in die Nachbarzelte ausgestrahlt. Im Hauptzelt "Flöz<br />

Sonnenschein" gibt's Schmalzbrot und Korn für 'ne Mark - extra "für die DKP hergestellt".<br />

Jugendliche mit Fedajin-Tuch und Baskenmütze -die rebellische Ausgeh-Uniform dieser Jahre -<br />

reißen sich um Castro und Marx-Poster - eine Mark pro Stück. Das überlebensgroße Konterfei des<br />

legendären Latino Ernesto Che Guevara (*1928+1967) war schon nach zwanzig Minuten<br />

ausverkauft. Die 26jährige Lehrerin Hilde aus Nordhorn schwärmt von ihren Urlaubsplänen:<br />

"Noch 38 Tage, dann bin ich endlich mit meinen Genossen auf Kuba." - Ein bisschen Romantik,<br />

ein bisschen Revolution, viel Schwärmereien, viel Gänsehaut zwischen Bacardi-Rum, Bretterbuden<br />

und Betonbananen im Kohlenpott. Ihre Freundin Christiane ist schon drei Jahre DKP-Mitglied.<br />

"Wir sind eine Gruppe, die zusammenhält und in der sich jeder um den anderen kümmert" , sagt<br />

sie stolz. Nicht alles am Sozialismus sei ihr ganz geheuer, etwa die Arbeitslager in der Sowjetunion,<br />

"aber mir fehlen wohl noch einige Parteischulungen", bekannt die 22jährige.<br />

Altkommunist Clemens Kraienhorst (*1905+1989) , nach dem in Bottrop eine Straße<br />

benannt wurde, glaubt gar an eine zeitgeschichtliche Epoche, in der der DKP lang erhofft endlich<br />

der Durchbruch naht. Bergmann war er, immer der KPD treu geblieben, auch dann, <strong>als</strong> die Nazis<br />

in ins KZ Esterwegen internierten. Euphorisch schwärmt er: "Mit dieser Jugend und ihrem<br />

Engagement wird es für die Partei in der Bundesrepublik die große Wende geben." Clemens<br />

Kraienhorst rückblickend: "Ich bin Kommunist geworden, weil ich den Leuten helfen wollte." Er<br />

weiß, wie Wählerstimmen für die Kommunisten gewonnen werden können. Bei der letzten<br />

Kommualwahl in der Bergarbeiterstadt Bottrop brachte er es in seinem Wahlkreis auf 33 Prozent.<br />

Die DKP zog mit 7,2 Prozent ins Stadtparlament ein. Einmalig war diese Kraienhorst-Resultat. Bei<br />

den Bundestagswahlen zwischen 1972 und 1983 konnte die DKP allenfalls 0,3 Prozent der<br />

Stimmen auf sich vereinen. Seitdem nahm sie nicht mehr teil. Lediglich in Bremen bei der<br />

Bürgerschaftwahl 1971 brachte sie es mit 3,1 Prozent auf ein für sie ungewöhnliches Ergebnis.<br />

Das gute Kraienhorst-Ergebnis ist der Erfolg einer zähen täglichen Kleinarbeit, auch<br />

Sozialarbeit oder Schuldnerberatung genannt. Wenn eine Familie mit der Ratenzahlung für den<br />

Farbfernseher ins Hintertreffen gerät, wenn Mieterhöhungen drohen, Schwierigkeiten beim<br />

Lohnsteuerjahresausgleich auftreten oder Arbeitslosigkeit zu einem Dauerzustand zu werden droht,<br />

wenn es zu Familienstreitigkeiten kommt - Bottrops Kommunisten haben stets ein offenes Ohr -<br />

Mitgefühl. Damit die Kinder in den Schulferien nicht auf der Straße herumlungern müssen,<br />

organisiert Fraktionschef Heinz Czymek jährlich für 800 Jugendliche eine Kinder-Land-<br />

Verschickung in den "Modellstaat DDR". Und sein Kollege Franz Meichsner baute für die Kinder<br />

aus einem alten Karstadt-Lieferwagen einen fahrbaren Spielplatz mit Bauklötzen und<br />

Tischtennisplatte.<br />

Auch in Bottrops Nachbarstadt Gladbeck sind die Kommunisten hochgeachtet. Hier<br />

arbeitet die DKP mehr "staatstragend" und "auffallend weniger revolutionär" an den Problemen<br />

dieser Stadt.<br />

Hier geht es um Weichenstellungen, die der gravierende Strukturwandel in der Region,<br />

etwa durch die Neuansiedlung von Industrie oder auch Schaffung neuer Arbeitsplätzen, mit sich<br />

bringt. "Diesen Neuerung", sagt SPD-Oberbürgermeister Kurt Schmitz, "widersetzt sich die DKP<br />

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