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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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er alle halbe Jahre einmal, wenn er vom NATO-Hauptquartier in Brüssel, wo er <strong>als</strong> Bundeswehr-<br />

Oberstleutnant diente, in Aachen Zwischenstation machte, bevor er zu seiner Freundin nach Köln<br />

weiterfuhr. Die Clique wurde für Ulli, einen entwurzelten Jungen, der schon überall und nirgends<br />

gewohnt hatte, ein bisschen sein zu Hause. Sonst lief eben nicht viel. Weder in der Schule noch mit<br />

seiner Mutter. Sie war nervlich kaputt, kam abends abgeschlafft vom Krankenhaus und klagte<br />

ständig darüber, <strong>als</strong> Ambulanzschwester kein Blut mehr sehen zu können. Heulkrämpfe und<br />

hysterische Schübe lagen bei ihr in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Einsamkeit zermürbte sie, vor<br />

allem fehle ihr jemand, mit dem sie sich richtig aussprechen konnte.<br />

Und dann waren da noch Gisela und Dorle, denen alles stank, denen alles so eng erschien,<br />

langweilig und doof, die richtig Action wollten - und das nicht nur vorm Fernseher. Und die<br />

Aachen bei jeder Gelegenheit mit einem Kuhdorf verglichen. Alles schien besser, nur die etwa<br />

250.000 zählende Einwohnerstadt war und blieb beschissen. Zwei Mädchen von sechzehn aus<br />

Beamtenhaushalten. Giselas Vater zählt Steuergelder auf dem Finanzamt, Dorles Papa stellt<br />

Personalausweise in der Einwohnermeldebehörde aus.<br />

Robbis Terrassen-Clique -das waren keine Kinder von Traurigkeit, Larmoyanz und<br />

Selbstmitleid, die über Leistungsdruck klagten und Existenzängste, Verzagtheiten plagten. Zwar<br />

gingen sie alle zum Gymnasium "Brüsseler Ring", doch die hart angezogene Schraube des Numerus<br />

clausus griff bei ihnen nicht - ein ausgeleiertes Gewinde, nicht mehr und nicht weniger. Ebenso<br />

verpufften Sanktionen ihrer Eltern wirkungslos, wenn sie überhaupt noch angedroht wurden. Denn<br />

die Alibis funktionierten nach den Wochenend-Eskapaden so fabelhaft, dass die Eltern nur noch<br />

selten nachfragten: teils aus Bequemlichkeit, teils aus Gewöhnung. Etwa, <strong>als</strong> Gisela mitten in der<br />

Woche gegen 21 Uhr sich noch mit einem Lehrer treffen wollte, um ein Dia-Projekt für den<br />

kommenden Unterricht vorzubereiten. Am nächsten Morgen rief der Vater vorsichtshalber an und<br />

erkundigte sich bei dem besagten Geographie-Lehrer ganz dezent, ob solche sicherlich<br />

wünschenswerten außerschulischen Veranstaltungen denn so spät stattfinden müssten. Der<br />

Pädagoge, selbst erst 32 Jahre alt, konnte mit vielen plausiblen Erklärungen aufwarten. Giselas<br />

Vater schien beruhigt. Offensichtlich auch deshalb, weil sich der Pauker lobend über die Leistung<br />

seiner Tochter ausließ. So etwas hören Eltern selten und doch allzu gern. Verborgen blieb indes:<br />

Die Dia-Geschichte wurde mit Disco-Glimmer vertauscht, bei sanfter Musik zwischen "rain and<br />

tears" - fernab von Leistung und Zensuren.<br />

So fanden schließlich alle Eltern dieser Clique nichts Außergewöhnliches daran, wenn ihre<br />

Söhne übers Wochenende zu Robbi gingen und dort auch nächtigten. Immerhin ist es der Sohn<br />

eines angesehenen Chirurgen in der Stadt. Eigentlich ein Umgang, der doch nicht besser sein<br />

könnte. Und die Mädchen waren zur besagter Zeit gerade immer bei einer Freundin oder<br />

umgekehrt. Oder auch bei Oma im Nachbardorf.<br />

Robbis Feste begannen immer dann, wenn der Metallic-Mercedes seiner Eltern hinter der<br />

Kreuzung verschwand. Das war oft am Samstag gegen drei. Bis vier Uhr trudelten die meisten ein.<br />

Erst einmal ging es im Zweitwagen, einem Alfa-Sud, den wochentags Robbis Mutter fuhr, ins Café<br />

Domberg nach Holland. Im Café Domberg aß die Clique manierlich Pflaumenkuchen oder<br />

Käsetorte mit Sahne, dazu trank sie ein Kännchen Kaffee. Wenn die Rechnung bezahlt wurde,<br />

legte Robbi wie selbstverständlich ein "Trinkgeld" aufs Tablett - einen Fünfzig-Mark-Schein. Café<br />

Domberg zeigte sich durch seinen Oberkellner erkenntlich -ganz nach Art des Hauses. An der<br />

Garderobe gab's ein Päckchen in Silberfolie - Haschisch. Es versteht sich von selbst, dass Robbi<br />

und Co. nicht nur für ein Eigenbedarf einkauften. Denn in Holland ist Haschischkonsum legal und<br />

daher weitaus billiger <strong>als</strong> in der Bundesrepublik auf den Schwarzmärkten. Einmal verhökern sie den<br />

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