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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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meint die 32jährige Pharmazeutin Valeria Carnevale aus Bologna während der Mittagszeit vor ihrer<br />

Apotheke auf dem ehrwürdigen Piazza Maggiore.<br />

Doch auch der einst legendenumwobene "Latin Lover" hat sich mittlerweile zu Wort<br />

gemeldet. Zwischen Padua und Palermo geißelte er in Umfragen die für ihn offen-kundig neu<br />

entdeckte "weibliche Frigidität" - Gesellschafterkampf auf Italienisch. Überall dort, wo sich Frauen<br />

zusammenschließen, sind sie dabei, neue Bezugspunkte aufzubauen, ungeahnte Gemeinsamkeiten<br />

etwa mit Frauen der katholischen Kirche zu entdecken: Sie sagen den Männern ade - Italia im<br />

neunziger Jahrzehnt.<br />

Rau, bisweilen bissig-frostig ist es geworden, das Klima zwischen italienischen Frauen und<br />

Männern. Der Übergang von Tradition zur Moderne hat viele Reibungs-punkte - und auch Opfer.<br />

Plötzlich fühlen sich manche Männer in ihrem Ego bedroht. Und: Sie schlagen zurück. Nur in<br />

einem Jahr wurden in Italien 800.000 Frauen von ihrem Ehegefährten krankenhausreif geprügelt.<br />

Jede dritte Frau wird misshandelt. Und immer wieder tönt es unisono <strong>als</strong> Rechtfertigung aus der<br />

Männer-Ecke, wie es der sozialistennahe "Espresso" schrieb: "Vor allem die Berufstätigkeit und<br />

Karrieresucht der Frauen sind schuld an den Krisen im Bett." Immerhin: Das erste "Frauenhaus"<br />

Italiens, in dem Misshandelte Schutz finden können, öffnete vor einem Jahr in Bologna seine<br />

Pforten.<br />

Jetzt schon sind die Langzeitfolgen des Geschlechterkampfes absehbar. Im Jahre 1996<br />

wird es in Italien mehr Menschen im Alter von über 60 Jahren geben <strong>als</strong> Jugendliche unter<br />

neunzehn Jahren. Mit der niedrigsten Geburtenrate in Europa wird die italienische Bevölkerung in<br />

den nächsten drei Jahrzehnten um sechs Millionen Menschen schrumpfen und auf 51 Millionen<br />

Einwohner zurückgehen. Nur der Wandel in den Ansichten und im Handeln der italienischen Frau<br />

wird wohl kaum aufzuhalten sein. "Die Frauen sind längst der Eckpfeiler, der tragende Boden<br />

unseres Wirtschaftswunders", bekannte unlängst die Publizistin Marie Antonietta Macciocchi.<br />

Ohne "Donne in carriere" (Frauen in der Karriere) geht kaum noch etwas im Land. Über 67<br />

Prozent der Frauen sind mittlerweile im Dienstleistungssektor beschäftigt. 32 Prozent sind in den<br />

Angestelltenberufen tätig. In den vergangenen fünf Jahren erhöhte sich der weibliche Anteil unter<br />

den Angehörigen der freien Berufe und der Unternehmerinnen sogar um 48 Prozent.<br />

Und die Männer? "Der Mann ist ein Luxus, er bietet wenig Schutz, ist unwirtschaftlich.<br />

Wir ernähren uns besser allein. Das Bemerkenswerte ist", sagt Grüne-Politikerin Letizia Battaglia<br />

aus Palermo, "dass die neuen Unterdrückungsversuche nicht von den Erzkonservativen kommen,<br />

sondern von den sogenannten Fortschritt-lachen aus den angeblich progressiven Managerstuben<br />

und Gewerkschaften."<br />

Immerhin - der Wandel im Denken der italienischen Frau brachte ein verblüffendes<br />

Umfrage-Ergebnis über die Sexualität am Arbeitsplatz zutage. Mehr <strong>als</strong> zwanzig Prozent der<br />

befragten Männer nämlich bekannten, "sexuellen Annäherungsversuchen" von Kolleginnen<br />

ausgesetzt zu sein. - Die Mehrheit der Männer hatte freilich nichts dagegen.<br />

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