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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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dollarträchtige Texte einredeten, mit denen sie dann sogar im Elysée Palais bei Staatspräsident<br />

Francois Mitterrand vorsingen durfte. Da war insgesamt ein abweisendes, erkaltetes Pariser<br />

Künstler-Milieu mit Gesichtern, die sie noch kurz zuvor auf der Mattscheibe bewundert hatte. Und<br />

da war ein Mann, der ihr mit seinem Macho-Gebaren zunächst Unbehagen einhauchte, sich aber<br />

<strong>als</strong> einfühlsamer Wegbegleiter in der subaltern-mondänen Pariser Glitzerwelt entpuppte - Gérard<br />

Depardieu. Er jedenfalls holte das lothringische Aschenputtel nach Paris und half ihr mit seiner<br />

Frau Elisabeth, einer Songtexterin, die erste Schallplatte "Jalouse" zu produzieren.<br />

Und heute? - Patricia Kaas sitzt in ihrer sechzig Quadratmeter großen Wohnung aus dem<br />

16. Jahrhundert im Pariser Saint Germain. Ein bisschen neureich, ein bisschen kindlich-verspielt<br />

schaut es da aus. Stuckverkleidete Räume, freiliegende Deckenbalken, ein Kamin, der die meist<br />

fröstelnde Patricia zu wärmen versteht. Und vielerorts harren Plüschtiere der Dinge, die da noch<br />

kommen mögen, "Ja, bemerkt sie, "die Teddys halten wenigstens noch zu mir. Seit meinem<br />

internationalen Durchbruch habe ich viele Freunde von früher verloren. Dieser Erfolg hat schon<br />

seinen Preis. Er hat mich ein bisschen einsam gemacht. Auch wenn ich neue, sympathische<br />

Menschen treffe, weiß man nie, ist es Patricia Kaas, die Sängerin, die sie ansprechen, oder bin ich<br />

wirklich ich, Patricia gemeint? Wenn man oben angekommen ist, wird die Luft dünn.<br />

Aus gutem Grund lässt Patrica Kaas im Zeitlupentempo via Video ihr Chanson-Leben<br />

passieren. Und sie erkennt vieles genau, hintergründig zudem. Längst, so will es scheinen, ist sie<br />

unbemerkt zu einem Mythos geworden.<br />

Nur mit sich selbst mag sie sich nicht identifizieren. Sie fragt sich, "wer bist du eigentlich,<br />

was willst du, wo sind deine Anliegen, deine durchlebten Erfahrungen?" Sie sagt: "Ich habe mir<br />

viele meiner Fernsehauftritte und -interviews angesehen. Nur könne ich mich in dem von mir<br />

inszenierten Bild überhaupt nicht wiederfinden. Dabei wusste ich doch, wovon ich reden wollte:<br />

von der Liebe, von der Freundschaft, von der Frau. Als ich jung war, sah man in mir nur die<br />

stimmbegabte Kleine. Ich war persönlich nie gemeint. Jetzt kämpfe ich <strong>als</strong> Frau um Akzeptanz.<br />

Früher hatte ich Angst, traute mich nicht, das zu sagen. Nun erst recht." - Selbstvertrauen.<br />

Es sind die Lieder einer vielleicht verhärteten jungen Frau in einer arg grau gewordenen<br />

internationalen Entertainment-Szene. Eben einer Patricia Kaas, die ihr Frausein allmählich<br />

akzeptiert, die sich immer mehr traut, sie selbst zu sein. Es sind die Chansons einer Grenzgängerin<br />

zwischen Deutschland und Frankreich. Aber auch einer Grenzgängerin, die erst in der Schule<br />

Französisch lernte, weil zu Hause deutsch gesprochen wurde - die nunmehr Englisch büffelt, gilt es<br />

mit neuen Produktionen <strong>als</strong>bald die USA zu erobern.<br />

An diesem Tag fliegt Patricia Kaas in ihre "Zukunft" - nach London zu Songmanager<br />

Robin Millar. Der weltweit agierende englische Musikkönig hatte ihr schon vorher bedeutet, dass<br />

sie einen Teil ihres französischen Publikums abschreiben müsse, wenn sie mit Englisch<br />

daherkomme. "Okay", sagt Patricia Kaas, "Freunde in Frankreich habe ich schon verloren, nun<br />

auch einen Teil der Fans." Nur eines vergaß Patricia Kaas nicht. Vor ihrem Abflug nach London<br />

unterschrieb sie geschwind noch einen Scheck in der gelangweilten Freundlichkeit einer Diva.<br />

Dieses Mal an ihren Bruder in Deutschland, der <strong>als</strong> Arbeiter sein Tagwerk versieht. Er hatte sie<br />

seinerzeit Abend für Abend für 50 Euro zu ihren Auftritten in das Saarbrücker Tanzlokal<br />

"Rumpelkammer" begleitet; <strong>als</strong> Aufpasser sozusagen, "weil die Patricia doch so zerbrechlich ist."<br />

Deshalb bleibt ihr Kinderzimmer im lothringischen Forbach für sie auch reserviert. "Man weiß ja<br />

nie, was kommt", sollen die Geschwister ihrer Jüngsten kürzlich gesagt haben.<br />

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