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Verfügbar als pdf (8,7 Mb) - Reimar Oltmanns

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Institution müsste ersatzlos gestrichen werden, wenn in den Fabriken nicht ein beträchtliches<br />

Bruttosozialprodukt erwirtschaftet würde. Aber, so frage ich mich, wie steht es mit dem<br />

gesellschaftlichen Ansehen unserer Facharbeiter?<br />

Ich persönlich war nie eine Männerfeindin, obwohl es bei vielen Männern auffällig nur um<br />

ein Thema geht: Wie wird man mit dieser oder jener Person fertig, wie kann man auf die Arbeit<br />

abwälzen, wie kann man sie diskriminieren und für die eigenen Ziele gebrauchen. Es gibt ja die<br />

Möglichkeit, zu schweigen und mit einer gewissen Gleichgültigkeit alles über sich ergehen zu<br />

lassen. Ich habe meistens meinen Mund ziemlich weit aufgemacht und meine Meinung gesagt. Die<br />

Männer können es aber nicht ertragen, die zweite Geige zu spielen. Das Bonn der Politik ist ein<br />

sprechender Ausdruck unserer Gesellschaft - die leider immer noch eine Männer-Gesellschaft ist,<br />

wo Männerinteressen höher <strong>als</strong> Frauenbelange angesehen sind. Obwohl mehr <strong>als</strong> die Hälfte der<br />

Bevölkerung Frauen sind, sitzen in den Führungsgremien vor allem Männer. Da ist etwas<br />

Grundsätzliches nicht in Ordnung, und das ist auch nicht im Sinne des Grundgesetzes.<br />

So tüchtige Frauen wie Käthe Strobel (*1907 +1996), Katharina Focke oder Antje Huber<br />

sind ja in Bonn nicht an ihrer Regierungsverantwortung gescheitert. Viele der von ihnen<br />

durchgesetzten Reformen halfen Millionen Menschen. Nein, nicht im Amt sind sie gescheitert,<br />

sondern an der Bonner Männerwelt, die schnell alle Vorurteile parat hat, wenn einer Frau ein<br />

Fehler unterläuft, wie jedem Mann doch auch.<br />

Da reichen dann diskriminierende Wörter wie ,glücklos' ,graue Maus' , 'Kabinettsdame',<br />

'farblos' aus. Männer halten es eben nicht aus, wenn eine Frau die Nummer eins ist. Als<br />

Mitarbeiterinnen sind die Frauen anerkannt, ja sie können mittlere Führungspositionen erreichen<br />

wie etwa in der Fraktion, in den Bundestagsausschüssen oder in den diversen Arbeitskreisen. Die<br />

überwiegende Anzahl derer, die in Bonn Meinung machen, die Ministerialbürokraten, die<br />

Journalisten, die Parteileute, sind Männer, die in der Bewertung Männer-Maßstäbe anlegen. Für<br />

diese Männer ist die Ordnung gestört, wenn eine Frau ganz oben ist, beispielsweise <strong>als</strong> Ministerin.<br />

Da spielt sicher das Unbewusste auch eine Rolle. Wenn Frauen Karriere machen, dann ist das für<br />

Männer eine Art Palastrevolution.<br />

Die Bonner Meinungsmache spielt sich am Biertisch oder an der Bar im Bundeshaus ab.<br />

Dort sitzen die Männer zusammen, schieben sich Informationen zu, kungeln Jobs aus, werten sich<br />

gegenseitig auf und setzen Urteile über andere in Umlauf: Männerbünde im alten Sinne modern<br />

verpackt in einer beschränkten Nadelstreifenanzug-Mentalität. Sicher, Frauen können heute an<br />

solchen Stammtischsitzungen teil-nehmen. Aber die Frauen, die ich kenne, lehnen das ab, weil sie<br />

meinen, ihre Zeit in Bonn besser nutzen zu können.<br />

Dass die Frauen in der Politik eine Minderheit sind, das ist auch das Problem bei der<br />

vielzitierten weiblichen Solidarität. Aber wir Frauen vermögen eine andere Art der menschlichen<br />

Beziehungen zu entwickeln, eine andere Art des Umgangs in den Ministerien und mit der Presse.<br />

Ich denke dabei an die Abertausende von Briefen, die ich erhielt, in denen oft zu lesen stand: "Ich<br />

wende mich an Sie, weil Sie eine Frau sind." Demzufolge scheint in unserem Volk der Wunsch<br />

virulent zu sein, gerade Frauen in der Politik zu sehen, weil und insofern diese für Menschlichkeit<br />

stehen. Doch die Ellenbogen-Politik der Männer dominiert. Darin sind die Bonner Männer stark.<br />

Aber solche Werte und Umgangsformen haben heutzutage auch in den Regierungsetagen nichts<br />

mehr zu suchen. Wir Frauen hingegen sind darin geübt, direkt und frei zu beschreiben, was wir<br />

fühlen, meinen, erfahren. Darin liegt auch die Schwierigkeit, Veränderungen durchzusetzen: Wenn<br />

wir Frauen etwas reformieren wollen, sind wir ja meistens selbst noch Suchende, und wir werden<br />

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